Ian Rankin
Schlafende Hunde
Totgesagte leben bekanntlich länger, und das gilt besonders für Polizisten, die – bei aller Abneigung gegen Dienstvorschriften und Vorgesetzte – ihre Fälle erfolgreich lösen. Ian Rankins Ermittler John Rebus war bereits aus dem Polizeidienst ausgeschieden. Nach kurzem Einsatz in einer "Cold-Case-Unit" ist er nun wieder zurück, degradiert zwar, aber hartnäckig und eigenwillig wie eh und je.
Nüchtern und korrekt
Und politische Korrektheit ist seine Sache nicht:
"Ich komme aus den Achtzigern, Peter – ich bin keiner von diesen neumodischen Supersensiblen" – und was Rebus sagt, meint er genau so, in seiner Stadt Edinburgh, die er besser kennt als die jungen Kollegen der modernisierten Polizei. Rebus‘ früherer Schützling Siobhan Clarke ist ebenfalls mit im Spiel, denn sie soll den Quertreiber kontrollieren. Ihn außerdem mit Malcolm Fox, einem anderen Serienheld des schottischen Autors zusammenzuspannen, einem in jeder Weise nüchternen und korrekten Inspektor bei der Dienstaufsicht der Polizei, ist eine besonders charmante Idee: Er braucht Rebus‘ Hilfe, weil er in den aktiven Polizeidienst zurückkehren will.
Eigene Regeln
Er ermittelt in einem Fall, der dreißig Jahre zurückführt – in das berüchtigte Polizeirevier Summerhall zu den 'Saints of the Shadow Bible', legendären Polizisten, die sich nach einer Zeile aus einem Song des großen schottischen Songwriters Jackie Leven benannten und ihre Regeln selbst aufstellten.
"Erinnerst du dich an dein Versprechen, John? An jenen Abend im Pub? An den Schwur, den du geleistet hast?" Die Jahre schmolzen dahin. Rebus erinnerte sich sehr gut... "Egal, was zwischen den Saints vorfällt, wir sprechen nicht darüber, wir verpfeifen niemanden, niemals – okay?"
Glänzend konstruiert
John Rebus ist einer der vier Überlebenden der Saints, und er muss sich entscheiden, was er preisgibt, wen er schützt und was ihm Recht und Gesetz bedeuten. Wie Ian Rankin die Veränderungen in der Polizeiarbeit in den letzten Jahrzehnten mit der Entwicklung seiner Personen in diesen vierzehn Tagen der Ermittlung gegen einen Unfallflüchtigen verbindet, ist großartig: präzise, facettenreich und getragen von einer Spannung, die sich Schritt für Schritt aufbaut. Sie lebt vom glänzend konstruierten Plot ebenso wie von der Widersprüchlichkeit der drei Ermittler und ihrer Kontrahenten.
"Die Guten sind fast nie immer nur gut und die Bösen fast nie immer nur böse. Ich weiß, das ist keine neue Erkenntnis. Aber es gibt einen Ort, an dem sich beide begegnen und da kann es interessant werden. Als würden wir alle auf demselben Teppich stehen, aber keiner betrachtet das Muster."
Auch ein Geschichtsbuch
Das Muster ist, wie immer bei Rankin, mit der aktuellen Politik und mit Korruption verwoben, denn der schottische Justizminister wird ermordet, das Gesicht der Yes-Kampagne für die Unabhängigkeit Schottlands; und so lässt sich dieser außergewöhnliche Kriminalroman auch als Geschichtsbuch lesen – allerdings mehr für das Verständnis von Macht und Machtmissbrauch in einer Stadt mit langer Geschichte. Der melancholische und zynische Rebus, ein vielschichtiger Charakter mit ausgeprägtem Sinn für Gerechtigkeit unter harter Schale, ist das tragfähige Zentrum des Romans des schottischen Bestsellerautors Rankin. Schlafende Hunde weckt er ganz nebenbei, wohl wissend, dass sie beißen werden. Aber Totgesagte leben – zum Glück für Rebus und die Leser dieses 20. Bandes mit ihm – eben länger.
(Lore Kleinert)
Ian Rankin *1960, einer der führenden Krimiautoren Großbritanniens mit zahlreichen Auszeichnungen u.a. dem "Order of the British Empire"
Ian Rankin "Schlafende Hunde"
übersetzt aus dem Englischen von Conny Lösch
Krimi, Manhattan Verlag 2014, 464 Seiten, 19,99 Euro
eBook 15,99 Euro, Audio-CD 19,99 Euro, Hörbuch-Download 12,99 Euro