Adrian McKinty
Die Sirenen von Belfast
Ein Kriminalroman, der in der Zeit des Bürgerkriegs in Nordirland spielt, das ist erst einmal ungewöhnlich: Sein Autor Adrian McKinty, 1968 in Carrickfergus bei Belfast geboren, siedelt seinen Helden Duffy, einen katholischen Polizeibeamten, genau in der Straße an, in der er selbst aufgewachsen ist.
Katholik unter Protestanten
Ein "katholischer Bulle", so der Titel des ersten Bandes dieser Reihe, war damals genauso ungewöhnlich. Sean Duffy ist ein Außenseiter: Katholik unter Protestanten, der gern auch mal kifft, mit Sinn für Literatur und Musik. Wer sich nicht oder auch gern erinnert oder die 80er Jahre nicht erlebt hat, findet hier alles, was popkulturell wichtig war. Dennoch ist McKinty kein Nostalgiker, er will die Zeit, wie sie war, wieder lebendig werden lassen und nutzt dazu die Form des Kriminalromans.
Ausnahmezustand
Polizeialltag im permanenten Ausnahmezustand, lakonisch erzählt: Wie funktioniert Ermittlungsarbeit unter Bürgerkriegsbedingungen? Fast täglich gibt es Anschläge und Tote, und man schaut unter sein Auto, bevor man sich hineinsetzt, denn die IRA kämpft auch mit Autobomben. Man kann "Die Sirenen von Belfast" als politisches Aufklärungsbuch lesen, das allzu romantische Bilder von Irland gerade bei uns Deutschen zurechtrückt.
Krieg und Drogenschmuggel
Die britische Armee zieht in diesem Frühjahr 1982 in den Falklandkrieg, das machte die Situation in Nordirland noch schwieriger. Bis zum Showdown weiß der junge Polizist Duffy eigentlich nicht, wo die Reise hingeht: In einem Koffer wird der Torso eines Amerikaners gefunden, die Spur führt auf einen heruntergekommenen Bauernhof. Dort lebt die junge und attraktive Witwe eines Soldaten, der hier angeblich von der IRA erschossen wurde. Duffy ermittelt gegen die Witwe, und eine zweite Spur führt zu dem amerikanischen Automagnaten John DeLorean. Ihn gab es wirklich: Er hatte in West Belfast eine große Fabrik gebaut und wurde später wegen Drogenschmuggels aus dem Verkehr gezogen. Der Hintergrund der Morde stellt sich als Konglomerat aus Familiengeheimnissen, dunklen Geschäften und Geheimdienstmauscheleien dar.
Auf der Seite des Rechts
McKinty setzt einen Mann mit kulturellem Feingefühl dem Bürgerkrieg aus, einen Polizisten, der immer wieder beweisen muss, dass er als Katholik auf der Seite des Rechts steht, und diese Widersprüche machen auch den zweiten Band sehr lesenswert. Dass die Geschichte ganz und gar aus seiner Perspektive erzählt wird, macht sie sehr frisch, denn er ist schnoddrig, lakonisch und mitunter poetisch, mit witzigen Anspielungen auf Tom Waits oder auch Thomas Mann und andere Bildungssplitter.
Lesenswert vor allem die erstickend düstere Atmosphäre im Belfast der 80er, die er mit knappen, genau gewählten Worten schildert, souverän und detailgenau, mit oft rabenschwarzem Humor, trotz der so hoffnungslos tragischen Situation, in der sich die Stadt zu der damaligen Zeit befand. (Lore Kleinert)
Adrian McKinty "Die Sirenen von Belfast"
Krimi, übersetzt aus dem Englischen von Peter Torberg
Suhrkamp 2014, 387 Seiten, 19,95 Euro
eBook 16,99 Euro
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