Nicholas Searle
Der Sprengsatz
Jake Winters V-Mann Abu Omar soll ein Attentat simulieren, doch die Bombe in seinem Rucksack sprengt ihn und viele andere in die Luft. Der Geheimdienstoffizier, der ihm vertraute, muss vor einem Untersuchungsausschuss aussagen, den auch die Eltern zweier Opfer besuchen.
Bauernopfer
Zugleich gelingt es Winter erneut, einen jungen Mann, Rashid, in eine Terroristenzelle einzuschleusen. Sein Ziel: die Drahtzieher herauszufinden und den geplanten Anschlag zu verhindern.
Nicholas Searle beschreibt Winter als einen Mann, der immer mehr unter Druck gerät und fürchten muss, dass der Geheimdienst ihn der Öffentlichkeit als Bauernopfer präsentieren wird. Akteure wie der ehemalige Soldat und Angehörige einer Eliteeinheit der Polizei, Jon Brough, haben es da leichter:
"Über Ethik mussten sich andere den Kopf zerbrechen: Man selbst musste sachlich und präzise seinen Job erledigen. Was so gut wie immer hieß, jemanden zu erledigen. Wenn der SAS gerufen wurde, waren die Optionen für Kuschelkurs oder diplomatische Lösungen längst ausgeschöpft."
In seiner Welt greifen alle Rädchen perfekt ineinander, und für moralische Grauzonen ist kein Platz, denn Polizisten wie er haben gelernt, Terroristen auszuschalten.
Selbstmordkrieger
Jake Winters Vorgehen, das Vertrauen des jungen Mannes zu gewinnen, der aus dem Nahen Osten zurückkam, um die Chance auf ein normales Leben zu ergreifen, bewegt sich mitten in diesen Grauzonen und ist ein Spiel mit Ambivalenz und möglichem Versagen. Nicholas Searle bewegt sich mit ihm auf den Spuren von John Le Carré, der den Weg der desillusionierten Männer der Schattenarmee immer wieder genial nachzeichnete. Selbstzweifel und Panik vor dem Chaos politischer Verwicklungen spielen dabei eine wichtige Rolle, und immer auch die Frage, wem man vertrauen kann, wie man seinen Agenten schützt, und was und wer schließlich geopfert werden muss.
Als Jake Winter durch seine Auftritte vor dem Untersuchungsausschuss schließlich Mrs. Masoud kennenlernt, eine gebildete, selbständige muslimische Frau, deren Sohn und Enkelin bei dem Anschlag getötet wurden, wird er mit der Unzulänglichkeit seines Wissens um die Struktur der Selbstmordkrieger konfrontiert.
"Vielleicht ist Rationalität nur unsere Weise, die irrationalen Risse in der Welt zu übertünchen, damit wir den Hass nicht sehen, der daraus hervorströmt. Dieses Zeitalter des Hasses. Diese Schläger, die auf uns losgegangen sind: Sind die denn anders als die Männer, die Samir und Aisha getötet haben? Derselbe düstere Zorn."
Hinter den Kulissen
Die Entscheidung liegt bei anderen Männern, solchen, die glauben, ihr "Gewissen schon vor Jahren in dem eisigen Schmelztiegel namens Whitehall verloren zu haben". Searle, früher selbst Mitarbeiter des neuseeländischen Geheimdienstes, beherrscht die Regeln des politischen Thrillers, und sein Roman erlaubt einen glaubwürdigen Blick hinter etliche Kulissen unserer Gegenwart.
(Lore Kleinert)
Nicholas Searle, aufgewachsen in Cornwall, englischer Autor, lebt in Yorkshire
Nicholas Searle "Der Sprengsatz "
aus dem Englischen übersetzt von Jan Schönherr
Thriller, Kindler Verlag 2019, 304 Seiten, 20 Euro
eBook 14,99 Euro