Chris Brookmyre
Dunkle Freunde
"Selbst eine genialisch ersonnene und perfekt umgesetzte Strategie kann scheitern, wenn einem das Glück abhold ist, vor allem dann, wenn man im Trüben fischt."
Hang zur Illegalität
Wohl wahr, vor allem, wenn der von wechselndem Glück gebeutelte Reporter Jack Parlabanes von seinem langjährigen Kontakt in der Hacker-Szene Buzzkill erpresst wird, beim Diebstahl eines medizintechnischen Prototyps zu helfen, gerade, als er als Journalist mit Hang zu illegalen Operationen wieder Fuß im Job gefasst hat. Während er erst allmählich herausbekommt, wer sich hinter der Internet-Figur Buzzkill verbirgt, lernen wir die traurige Geschichte der neunzehnjährigen Sam kennen: ihre Mutter ist im Knast, ihre Schwester Lilly braucht wegen ihres Downsyndroms besondere Betreuung: "Für Lilly da sein, so könnte der Titel meiner kurzen und langweiligen Autobiografie lauten." Ihre Träume vom Studium muss sie einstweilen begraben – und leidet erbärmlich unter ihrer Schüchternheit und Einsamkeit.
"Sie sehen, ich habe Ihnen erzählt, was für eine erbärmliche Person ich bin. Ein Opfer. Ein Fußabstreifer. Aber Sie müssen verstehen, es gibt da noch eine andere Seite an mir, eine Person, die niemand einfach so links liegen lässt…Was ich allerdings wirklich bin, das ist die Person, die online existiert. Das ist für mich die Welt, die zählt."
Brillantes Zusammenspiel
Ein Doppelleben, das erstaunlich glaubhaft funktioniert - als Buzzkill ist sie genialer Teil einer jugendlichen Hacker-Szene, die einiges aufmischt. Doch ihre Identität ist aufgeflogen, sie wird erpresst und setzt alle Hoffnungen auf den ebenso skrupellosen wie mitfühlenden Reporter Jack, den sie ebenfalls erpresst, ihr beim Einbruch in das Elektronikunternehmen zu helfen. Chris Brookmyre inszeniert ein brillantes Zusammenspiel zweier verwandter Seelen, die mehr voneinander und über ihre Verstrickungen erfahren und schließlich gemeinsam in eine gefährliche Falle gelockt werden. Ganz nebenbei legt er die mörderische Konkurrenz in der internationalen Elektronikindustrie bloß, die weder vor Industriespionage noch Mord zurückschreckt.
"Cruz, der Visionär und die große Hoffnung der britischen Elektronikbranche, hatte sich in den Jahren zuvor wie ein Geier auf die Überreste gescheiterter Unternehmen gestürzt. Er war zu einem Ungeheuer geworden, das alles verschlang, was er selbst einmal aufgebaut hatte."
Kampf gegen Erpresser
Den geheimnisvollen Erfinder, der für den Erfolg der Firma sorgte, kennt fast niemand, und als der talentierten Hackerin ein Mord angehängt werden soll, müssen beide flüchten – und sich auf ihre einfallsreich kombinierten Talente im Kampf gegen den Erpresser und Mörder Zodiac verlassen.
"Sam operiert auf einer ganz anderen Ebene. Sie geht die Sache aus mehreren Blickwinkeln gleichzeitig an, plant mehrere Züge voraus, improvisiert unablässig, wenn der nächste Halt, an dem sie sich abstützen kann, sich als glatte Felswand entpuppt."
Wie immer in Brookmyres Thrillern ist die rasante Geschichte mit schwarzem Humor und politischer Kritik am Raubtierkapitalismus unterlegt und mit vielen einfallsreichen Wendungen ausgestattet, in denen Sams Schwester Lilly und ihre zwielichtige Mutter eine besondere Rolle spielen. Während Jack Parlabanes Karriere auf dem Spiel steht, geht es bei der jungen Frau mit dem angeschlagenen Selbstbewusstsein und der allzu großen Last auf den Schultern um ihr ganzes Leben. Wer mit den neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Cyberkriminalität nicht vertraut ist, lernt hier viel dazu, und es gelingt Chris Brookmyre, trotz gelegentlicher Techniklastigkeit, den menschlichen Blickwinkel zu bewahren.
(Lore Kleinert)
Chris Brookmyre, *1968 in Barrhead bei Glasgow, Literatur- und Theaterwissenschaftler, Journalist, mehrfach preisgekrönter schottischer Autor
Chris Brookmyre "Dunkle Freunde"
aus dem Englischen von Karl-Heinz Ebnet
Thriller, Rowohlt Taschenbuch Verlag Hamburg 2019, 544 Seiten, 13 Euro
eBook 19,99 Euro
Weiterer Buchtipp zu Chris Brookmyre:
Die hohe Kunst des Bankraubs