Ruth Rendell
Des Finders Lohn
Stimmungsvoll und gemächlich wie ein Marktbummel präsentiert sich der neue Roman der britischen Krimi-Queen Ruth Rendell. Er spielt rund um die legendäre Portobello Road in Notting Hill, deren Kneipen, Läden und Buden den bunten Hintergrund für eine komödiantische Psycho-Sozial-Kriminal-Studie abgeben.
Süchtig nach Bonbons
Drei schräge Vögel prägen die Geschichte. Es beginnt mit einem Umschlag voller Geld, den der Galerist Eugene Wren zufällig findet. Wren ist um die Fünfzig, wohlhabend, und er sorgt sich nur um eines: um seine Sucht und wie er davon loskommen könnte. Mit Alkohol ist er seinerzeit problemlos fertig geworden, Drogen nimmt er keine – nein, hier kommt Ms Rendells britischer Humor zum Tragen: Eugene ist süchtig nach einer bestimmten Sorte zuckerfreier Bonbons, die er zu Hause sorgfältig versteckt.
Schräge Vögel
Lance dagegen ist jung und nichtsnutzig, lebt bei seinem bigotten Onkel Gib (einem Prediger und Ex-Knacki) und finanziert sich durch den einen oder anderen Einbruch in den besseren Häusern von Notting Hill. Seine Ex-Freundin Gemma hat gute Gründe, von ihm nichts mehr wissen zu wollen.
Und schließlich Joel, ein Junge aus reichem Haus, der sich in seiner mit altem Kitsch vollgestopften Wohnung hinter geschlossenen Vorhängen verbarrikadiert und Stimmen hört. Nur seine Ärztin Ella Cotswold hat bei Joel Zutritt. Sie ist mit Eugene verlobt, der seine Bonbonsucht unbedingt auch vor ihr geheim halten möchte.
Mord als Nebensache
Was Ruth Rendell sich hier ausgedacht hat, ist eine augenzwinkernde Ironisierung des Genres. Ok, mag sie sich gesagt haben, man kennt mich als Autorin von Kriminalromanen, also gib den Lesern, was sie haben wollen! Aber sowohl der Mord, der (spät!) geschieht, als auch der Mörder selbst sind am Ende eher das schmückende Beiwerk zu einem köstlichen – gern auch mal sarkastischen - Porträt der inseltypischen Klassengesellschaft. Und den Charme des Viertels um die Portobello Road gibt’s für London-Liebhaber als Sahnehäubchen obendrauf.
(Gabi von Alemann)
Ruth Rendell *1930, englische Schriftstellerin, lebt in London
Ruth Rendell "Des Finders Lohn"
Kriminalroman, übersetzt von Eva L. Wahser
Blanvalet 2013, 384 Seiten, 14,99 Euro
eBook 11,99 Euro