Garry Disher
Bitter Wash Road
Paul Hirschhausens neues Revier: ein Kaff drei Stunden nördlich von Adelaide, im Nirgendwo zwischen Weizen, Windrädern und Schafen. Hirsch hat unter seinen Kollegen keine Freunde, denn er sagt als Zeuge gegen korrupte Polizisten aus, ein Whistleblower, der um sein Leben fürchten muss.
Tod am Straßenrand
Die ersten Schüsse, die er hört, werden zwar von Kindern abgegeben, doch gleich zwei Todesfälle geben Rätsel auf: Ein junges Mädchen wird totgefahren am Straßenrand gefunden, und eine Farmersfrau, die ihren Mann verlassen will, hat offenbar Selbstmord begangen. Hirsch ist der einzige, der beides für Mord hält. Wie hängen die Geschichten von Alison Latimer und Melia Donovan zusammen? Seine nächsten Kollegen sind versoffene Dummköpfe, und sein Chef Kropp ist eine undurchsichtige Figur:
"Einer der harten Kerle mit ihren eigenen Lehnsgütern, wie sie im ganzen Staat zu finden waren. Männer, die ausweichend und arrogant wurden, wenn man sie festnageln wollte. Aber clever, eine echte Last im Zeugenstand für Richter und Anwälte im Land."
Wildes Land
Was Garry Dishers Roman so reizvoll macht, ist die Annäherung an die Lebensverhältnisse im tiefen australischen Süden. Mit seinem Protagonisten Hirsch nimmt man sich Zeit, folgt Hinweisen, die immer wieder ins Leere führen, aber viel über die Menschen erzählen, ihre harten Lebensverhältnisse, die Langeweile, die Leere, und das in einer ausgezehrten, wilden Landschaft, die 1850 einen kurzen Kupferboom erlebt hatte:
"Die aus Cornwall eingewanderten Bergarbeiter waren in andere Städte und Minen abgewandert, doch bis dahin waren die Hügel und Ebenen bereits aller Bäume beraubt worden, und das Holz hatte die Kessel befeuert oder war tief unter der Erde gegen die drückende Gesteinsmassen verbaut worden."
Eigene Regeln
Die Gesellschaft, die sich bis heute in dieser Landschaft festgeklammert hat, folgt ihren eigenen Gesetzen, die der Autor gut kennt und aufblättert: Gewalt, Missbrauch, Verachtung von Frauen und Schwächeren, zusammengehalten durch die Herrschaft anmaßender Männer und geprägt von ihren Schweigegeboten. Die Lehrerin Wendy, deren Vertrauen Hirsch gewinnt, zwingt ihn, diese Regeln zu erkennen, denn sie war mit der Farmersfrau Alison Latimer befreundet und wusste um ihren Freiheitsdrang: "Bitte, Hirsch, schauen sie doch mal genauer hin. Ray und sein Vater sind diese guten alten Jungs, Säulen der Gesellschaft, örtlicher Landadel. Unter der Oberfläche sind sie nur schrecklich."
Kumpel von nebenan
Hirsch nimmt die kleinstädtische Rolle als "strenger Vater, guter Vater, Beichtvater, Kumpel von nebenan und Kerl, bei dem man mal reinschneite", zwar mangels anderer Ziele an und bringt Verständnis auf für die von Einsamkeit und Armut gebeutelten kaputten Familien, in einer Mischung aus Bitterkeit, Paranoia und ernsthaftem Interesse. Seine Hartnäckigkeit und Geduld machen diesen neuen Ermittler des wichtigsten australischen Krimiautors Garry Dishers zu einer beeindruckenden Figur in einer gut ausgeleuchteten Szenerie mit Menschen, die man nicht so schnell vergisst.
(Lore Kleinert)
Garry Disher *1949 in Burra/Australien, australischer Schriftsteller von Prosa- und Kriminalromanen, Kinder-, Jugend- und Sachbüchern
Garry Disher "Bitter Wash Road"
Aus dem Englischen von Peter Torberg
Kriminalroman, Unionsverlag 2016, 352 Seiten, 19.95 Euro
eBook 14.99 Euro
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