Jennifer Vanderbes
Osterinsel
Die Osterinsel im Südostpazifik, zu Chile gehörend und in der Landessprache "Rapa Nui" genannt, birgt ein Geheimnis, das Forscher bislang vergeblich zu entschlüsseln versucht haben: Über 600 riesige Steinskulpturen stellen vermutlich berühmte Häuptlinge früherer Volksstämme dar.
Ein Roman verfolgt die mystischen Spuren.
Großbritannien, im Jahr 1913
Elsa Pendleton und ihre kleine Schwester sind nahezu mittellos, der Vater ist gestorben und hat nichts hinterlassen. Elsa muss eine Lösung finden, um ihre Schwester auch weiterhin beschützen zu können. Die Schwester ist schwachsinnig.
Der Ausweg: eine Ehe mit einem sehr viel älteren Mann, der die Verantwortung für die Schwester in Kauf nimmt, statt sie in eine Anstalt zu sperren, wie das damals in England üblich ist.
„Es ist wirklich ein Skandal. Dass die medizinischen Experten Großbritanniens so etwas aushecken. Kein Heilverfahren, kein Heilmittel, nicht einmal ein Versuch, die Beschwerden der Betroffenen zu lindern. Isolation? Einsperren? Sterilisieren?“ Seine Hände flogen hoch. „Guter Gott.“
Elsas Ehemann Mann ist Anthropologe und will das Geheimnis der riesigen Moai-Statuen auf der Osterinsel ergründen. Die kleine Familie reist fast ein Jahr mit dem Schiff um die Welt, um schließlich auf diesem entlegenen, geheimnisvollen Ort zu landen.
60 Jahre später
schafft es Geer Faraday schneller. Sie ist Botanikern. Ihr Mann hat sie um ihre wissenschaftliche Arbeit betrogen und ist gestorben, kurz nachdem der Betrug aufflog. Auf der Osterinsel trifft sie zahlreiche forschende Kollegen, auch einen, der die Rongorongo-Schriftzeichen enträtseln will. Sie selbst will nach uralten Pollenformen suchen:
„Ich möchte gern herausfinden, was es hier früher für Pflanzen gab, wie lange es her ist und was mit ihnen passiert ist. Eine anständige Probe aus einem der Seen müsste Pollen enthalten, die mehrere tausend Jahre alt sind.“
Mystische Welt
Die beiden Frauen führen - jede auf ihre Weise und in ihrer Zeit - ein höchst ungewöhnliches Leben. Elsa beginnt sich auf der Osterinsel für die geheimnisvollen Zeichenschrift Rongorongo zu interessieren und will sie entziffern. Sie besucht die Eingeborenen, lernt ihre Sprache. Die Schwester bleibt in der Obhut des Ehemannes, während sie ihren Forschungen nachgeht:
„Sie macht sich umfangreiche Notizen über die Legenden und Mythen, die ihr die Einheimischen erzählen, aber offensichtlich haben sie keine mündliche Überlieferung von Moai und wie sie zu Fall kamen. Elsa vermutet, dass auf den Holztafeln eine solche Geschichte verzeichnet sein könnte.“
Letztlich geht es um die geheimnisvolle und mystische Welt der Ureinwohner, die Bedeutung fossiler Pollen, das Rätsel der riesigen Steinkolosse. Wie wurden sie transportiert? Wurden die Bäume auf der Insel deswegen abgeholzt? Welche Vegetation gab es früher auf der Insel?
Forschungsfragen, die bis heute nicht entschlüsselt sind und die Osterinsel für Wissenschaftler und zunehmend auch für Touristen zu einem spannenden Reiseziel machen. Der Roman ist gleichsam vorbereitende Lektüre für eines der großen Rätsel dieser Welt.
Der Nationalpark Rapa Nui ist Teil des UNESCO Welterbes. <
(Christiane Schwalbe)
Jennifer Vanderbes *1974 in New York, amerikanische Schriftstellerin
Jennifer Vanderbes "Osterinsel"
Berliner Taschenbuch Verlag 2005, 480 Seiten, 9.90 Euro