Birgit Vanderbeke
Die sonderbare Karriere der Frau Choi
Gäbe es nicht die geheimnisvolle Frau Choi, das Dorf im Südwesten Frankreichs wäre geblieben, was es war: ein verschlafenes, ödes Nest, in dem die Menschen rückständig bleiben. Sie glauben zwar nicht wirklich an Werwölfe und 'Weiße Frauen' oder vielleicht doch?
Frau Choi, die alle für eine Chinesin halten, sagt eines Tages bedeutungsschwer: "Eigentlich hätte ich Lust, etwas anzufangen".
Bedeutende Zukunft
Damit ist das Schicksal des Dorfes besiegelt, und eine bedeutsame Zukunft beginnt. Die war vom Bürgermeister ganz anders geplant, er wollte einen Militärstützpunkt aus dem verschlafenen Nest machen, inklusive Enteignung notwendiger Flächen und Vertreibung ihrer Bewohner. Aber er hat nicht mit der agilen französischen Aktivistenszene gerechnet, die den Kahlschlag verhindert.
Nun also darf Frau Choi etwas anfangen.
"Jetzt sind wir zwar nicht mehr in den Zeiten von Werwölfen und Weißen Frauen, sondern in Zeiten von Massenmedien und global play, aber jetzt beginnt die Karriere, auch wenn ... Sie ... lachen würden über die Idee, in M** etwas anzufangen."
Einfallsreiche Frauenwelt
Frau Choi kann nicht nur gut kochen. Sie versteht es auch, aus ihren und anderen Talenten Profit zu schlagen und mit viel Überzeugungskraft und einer gehörigen Portion asiatischer Weisheit eine Dorfbewohnerin nach der anderen auf ihre Seite zu ziehen. Denn in der einfältigen und einfallslosen Männerwelt sind es die Frauen, die den Fortschritt ins Dorf bringen. Dass der eine oder andere Mann dabei aus nachvollziehbaren Gründen sein Leben verliert, ist nur konsequent.
Wachsender Reichtum
Erst wächst der Kräutergarten, dann das Restaurant, das sich dank der koreanischen Nationalspeise Kimchi zu einem gastronomischen Treffpunkt entwickelt, der weit über die Dorfgrenzen hinaus bekannt ist. Dann kommen Quartiere für Touristen dazu, später ein Hotel, entworfen von einem berühmten koreanischen Architekten. Und die Zahl der Arbeitsplätze wächst und wächst.
Global denken, lokal handeln
Wo einst Campingplatz und Ölmühle für magere Besucherzahlen im Sommer sorgten, strömen jetzt Touristen, Gourmets und Architekten, um sich das blühende asiatisch-französische Wunderdorf anzuschauen, das sich harmonisch in Landschaft und Natur einfügt.
Massentourismus und kulturelle Unterschiede werden zum Wohle der Dorfbewohner vernetzt. So sinnvoll kann globales Denken und lokales Handeln sein. Schließlich wird Kimchi (sauer eingelegter Chinakohl) von der Weltgesundheitsbehörde sogar als Heilmittel anerkannt - welch' ein Triumph für Frau Choi und ihren Kräutergarten.
Heiteres Erfolgsrezept
Eine geniale Geschichte und ein wunderbares Märchen, das produktive Frauenbeziehungen und kreative Mutter-Sohn-Verhältnisse, asiatische Weisheit und südfranzösische Mythen, Kochkunst und kaufmännisches Geschick, eine Kriminalgeschichte und den "Schöngelben Klumpfuß", Erfolgsrezepte mit seltenen Schmetterlingen verbindet.
Das alles ist so heiter, leicht und amüsant erzählt, dass man nach 123 Seiten gern weiter in diesem südfranzösischen Dorf herumspazieren würde, so kurzweilig liest sich dieser Roman.
(Christiane Schwalbe)
Birgit Vanderbeke *1956 in Dahme/Brandenburg, deutsche Schriftstellerin, lebt in Südfrankreich
Birgit Vanderbeke "Die sonderbare Karriere der Frau Choi"
Roman, Fischer Verlag 2007, 128 Seiten, Taschenbuch 8,95 Euro
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