Christoph Poschenrieder
Mauersegler
Mauersegler haben zarte, kleine Krallen, aber antike Naturbeobachter sahen sie nur in der Luft und dachten, sie hätten keine Füße. Für den Ich-Erzähler, den früheren Chefredakteur Carl, sind sie die Lieblingsvögel seines fortschreitenden Alters: "Der Mauersegler legt die Flügel an und will nicht mehr fliegen. So soll es auch mit mir zu Ende gehen." Doch so einfach wird es nicht sein.
Altwerden und Sterben
Ihn und seine vier Freunde treibt die Frage nach dem Altwerden und Sterben um - den Juristen, Softwareunternehmer, Lebensmitteltechnologen und ehemaligen Intendanten, alle gut situiert, im Beruf erfolgreich, in ihren Beziehungen weniger. Was passiert, wenn fünf Männer dieser Generation, die im und nach dem Krieg gemeinsam aufwuchsen, Freunde waren und sich dann ihren Karrieren widmeten, zusammenziehen?
Vertrauen der Kindheit
In Christoph Poschenrieders Roman "Mauersegler" fallen sie weich, denn als die separaten Leben auseinanderfielen, blieb das Vertrauen zueinander, eine Vertrautheit, die sie in der Kindheit zusammenschweißte, als der sechste im Bunde, Martin, tödlich verunglückte. Im Haus am Starnberger See, das der reichste von ihnen kauft, lässt es sich gut leben,
"es ist wie im Kindergarten. Nur ohne die Kindergartentanten. Jeder machte, wozu er Lust hatte, und zur Christmette im Dorf reiten die älteren Herren ein 'wie die Glorreichen Sieben'"
Ehemalige Erfolgstypen
Eine muntere Melange aus Altersweisheit und Selbstironie ist Poschenrieder da gelungen, doch die heiteren Seitenblicke auf die Gewohnheiten und Spleens der fünf ehemaligen "Erfolgstypen, Alphawölfe, Überholspurfahrer, FDP-Wähler, als es die noch gab", wie Carl sie bissig als Prototypen seiner Generation beschreibt, verdunkeln sich, als die Gesundheit nachlässt. Was tun? Die Macher von früher wollen auch das Sterben in die eigenen Hände nehmen, mit einem "Todesengelprogramm", das der Computercrack der Gemeinschaft entwickelt:
"Mein Programm erhält noch ein paar Algorithmen“ sagte Ernst. "Wenn dreimal der Knopf nicht gedrückt wurde, wird der Ernstfall ausgelöst. Was meint Ihr?"
Begegnung mit dem Tod
Wie die alten Männer ihrem Tod dann begegnen, schildert Poschenrieder mit schwarzem Humor und Sinn für ihre Eigenarten und lässt sie jetzt weniger als bloße Prototypen der alten Bundesrepublik erscheinen. Sterbehilfe ist in Deutschland verboten, doch die Varianten selbstbestimmten Sterbens sind einfallsreich, und wo sie an ihre Grenzen stoßen, leuchtet das, was die fünf Freunde zusammenhielt, zum letzten Mal auf. Unter die Sympathie füreinander und die lebenslangen Gewohnheiten ist auch Schuld gemischt, denn der sechste Freund, Martin, hätte nicht im Eis einbrechen und ertrinken müssen. Doch der Autor hält die Balance zwischen tödlichem Ernst und unzulänglichen Lebensläufen mit Ironie und Leichtigkeit.
(Lore Kleinert)
Christoph Poschenrieder *1964 bei Boston/USA, deutscher Schriftsteller, lebt in München
Christoph Poschenrieder "Mauersegler" Roman. Diogenes 2015, 224 Seiten, 22,00 Euro
eBook 18,99 Euro