Heike-Melba Fendel
Zehn Tage im Februar
Für Nicht-Berliner und alle, die nur gelegentlich mal ins Kino gehen: Zehn Tage im Februar, das bedeutet zehn Tage randvoll mit Filmen, Pressekonferenzen, Partys, schlechter Luft und fehlendem Schlaf: Berlinale-Zeit.
Im falschen Film
Für die Autorin und Filmjournalistin Heike-Melba Fendel sind es seit vielen Jahren Tage voller Anstrengung und Glück, und für ihre namenlose Ich-Erzählerin die Erkenntnis, mit ihrem Leben im falschen Film zu sein. Die berühmte Regisseurin Jane Campion, die sie in den Achtzigern kennenlernte und zu ihrem Fixstern im Kinohimmel erkor, sagt ihr, es gehe darum, auf welche Weise man verstrickt sei, und das herauszufinden bieten diese Tage ohne "den Mann", der geflüchtet ist, eine gute Gelegenheit.
"Und wenn es eine ungute Weise ist? Wenn man am falschen Ort angekommen ist, weil alles, jeder Ort, jeder Mann und jedes Wir, das sich hinter der Vorläufigkeit seines Für Immer verschanzt, falsch ist?"
Selbst erfunden
Die Ich-Erzählerin erinnert sich an die Begegnungen auf vielen Filmfestivals, an die heiteren Jahre, als sie begann, über Filme zu schreiben und Filmmenschen zu interviewen, hochkomisch und genau, denn die besten Artikel waren mitunter die, die sie selbst erfunden hat, wenn die Interviews nichts Wahrhaftiges oder Kluges hergaben. Dem Glanz und der Unterhaltsamkeit ist sie verpflichtet und weiß doch sehr genau, dass der Ehrgeiz, z. B. den Gewinnerfilm gesehen zu haben, bei "genauerem Nachdenken ziemlich wertlos" ist, zumal einige Sitznachbarn in den Pressevorführungen nach der Halbzeit eines Festivals beginnen, "streng zu riechen".
Eitel und kreativ
Dass Heike-Melba Fendel, wie sie in einem Interview sagte, ihr "Leben auf erzählenswerte Facetten abgetastet hat", macht ihren ersten Roman zu einem Feuerwerk lakonisch erzählter und gut komponierter Seitenblicke auf eine ebenso eitle wie kreative Szenerie. Tiefe aber bekommt das Buch durch die Art, wie die Ich-Erzählerin die Rückblicke und Kinomomente mit dem Drehbuch ihres Lebens verbindet. Vor allem erkundet sie die Fremdheit, die das nunmehr zwanzig Monate währende Leben mit "dem Mann" im gestylten Tempelhofer Haus nicht aufheben konnte, nicht einmal im Kino:
"In Filmen sucht er allein das Vertraute. Vertraut sind Fakten, am liebsten historische. Vertraut sind auch Emotionen zweiten Grades wie Rührung und Unbehagen. Alles ihm Fremde vergisst er, bevor er die Fremdheit als Ursache seines Vergessens ausgemacht hat. Mein Unglück ist ihm fremd. Er macht bereits einen Bogen um die schiere Vermutung meines möglichen Unglücks."
Im toten Winkel
Während "der Mann" das, was er an ihr unerwünscht findet, in seinen "toten Winkel" verschiebt, schreit sie ihre Unruhe heraus, gegen sein Verständnis von Normalität, die Routine der Emotionen zweiten Grades, die Verlorenheit, der sie nicht entkommt, außer vielleicht in der Wahrheit des Kinos. Unlösbar?
Die junge Frau aus Köln, Kinoliebende und Firmeninhaberin, die in Berlin älter wurde, ist zu eigensinnig und einfallsreich, als dass sie ernsthaft die Balance verlieren könnte, und der Glanz, der sie umgibt, erinnert an den, den Irmgard Keuns Heldin Doris 1932 im unglaublich komischen und traurigen Roman vom "Kunstseidenen Mädchen" suchte.
Zehn Tage
Die Geschichte von den zehn Tagen im Februar rückt die Autorin an die Seite dieser Schriftstellerinnen, deren Frauen den Mut hatten, sich ihrer Furcht zu stellen und dennoch zu tanzen, zu strahlen, ein Glanz zu sein, ob in Kunstseide oder vielfarbig leuchtenden Designerkleidern aus dem Second Hand Shop.
(Lore Kleinert)
Heike Melba-Melba Fendel *1961 in Köln, Künstler- und PR-Agentin, Journalistin der Zeit Online und Buchautorin, lebt in Köln und Berlin
Heike-Melba Fendel "Zehn Tage im Februar"
Roman, Blumenbar-Verlag 2017, 208 Seiten 18,00 Euro
eBook 13,99 Euro