Klaus Modick
Konzert ohne Dichter
Ein schönes und überaus herrschaftliches Bild zeichnet Klaus Modick, wenn er den reichen Geschäftsmann Ludwig Roselius auf Rundfahrt durch Worpswede schickt - mit viel Geld in der Tasche und einem Korb zusätzlicher Präsente. Ein Mäzen lässt sich schließlich nicht lumpen und legt gönnerhaft noch eine Zigarre drauf. Immer an seiner Seite: Heinrich Vogeler, der Star der Künstlerkolonie.
Malweiber
Dazu passt, dass er sich für die Kunst der Frauen nur am Rande interessiert. Die "Malweiber" mussten sich unterordnen, sie waren in der Wopsweder Künstlerszene alles andere als gleichberechtigt, auch wenn ihre Kunst es allemal mit der der Männer aufnehmen konnte. Der erfolgreichste von ihnen, Heinrich Vogeler, begleitete Roselius nicht immer freiwillig, aber er war es seinem Ruhm schuldig, zumal er selbst immer wieder Mittel brauchte, um den (vor allem von Frauen) angehimmelten Dichter und Freund Rainer Maria Rilke bei sich aufzunehmen und zu unterstützen. Aber diese Freundschaft ist zerbrechlich.
Eitel und selbstverliebt
Rainer Maria Rilke konnte seine Familie kaum selbst unterhalten, war dafür umso eitler und selbstverliebter, geltungssüchtig sowieso. Seine Tochter ließ er von den Schwiegereltern aufziehen, daran konnte seine Frau, die begabte Bildhauerin Clara Westhoff, nichts ändern. Lieber zieht er mit ihr durch die Lande und gern auch nach Paris, zum überaus verehrten Auguste Rodin.
Selbst Nägel und Schrauben
1905 bekam Vogeler die Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft verliehen, allerdings war das Universalgenie da ganz und gar unglücklich mit sich und seiner Arbeit, zu sehr hatte er sich auf das Dekorative eingelassen, schlug keinen Auftrag aus:
"Und Vogeler machte. In seinem Atelier, umgeben von schlicht grau gestrichenen Wänden, entstanden Entwürfe für Heymels Tafelsilber, Tischleuchter und Wandkandelaber mit dem Tulpenmotiv, für Spiegel, gerahmt mit Ranken-Motiven, die ein großer Vogel zusammenfasste, für grauseidene Vorhänge … Porzellan. Möbel. Gläser. Schmuck. Türklinken und -beschläge. Garderobenhaken. Vogeler hätte bei Bedarf und Nachfrage auch Nägel, Schrauben und Kloschüsseln entworfen."
Wo Bartel den Most holt
Seine Gesundheit beginnt zu leiden, er hat schwerwiegende Sehstörungen, seine Ehe kriselt, für den Freund, den "herumvagabundierenden Rilke" muss Geld her, aber auch für "großzügige Gastgeberschaft" – kurzum "da wird Ritter Heinrich notgedrungen zum Bartel, der weiß, wo der Most zu holen ist." Mit seinem berühmten Bild "Das Konzert oder Sommerabend auf dem Barkenhoff" hadert Vogeler. Fünf Jahre hatte er dafür gebraucht, um es nun am liebsten zu zerstören, ist es doch Abbild all' der Probleme und Schwierigkeiten rund um den Barkenhoff und die Künstlerkolonie.
Kunst und Moral
Klaus Modick beschreibt in diesem wunderbar atmosphärischen und unterhaltsamen Buch nicht nur die Kunstszene Worpswedes mit all' ihren Eitelkeiten, er zeichnet auch ein subtiles Bild der anfälligen Männerfreundschaft zwischen Rilke und Vogeler, die beide süchtig sind nach Anerkennung. Über ihnen liegt ein Netz von Macht und Abhängigkeit, in dem sich Kunst und Moral angesichts künstlerischer Unterwerfung um des Ruhmes und des Geldes Willen verfangen.
(Christiane Schwalbe)
Klaus Modick *1951 in Oldenburg, Schriftsteller und Übersetzer, lebt in Oldenburg
Klaus Modick "Konzert ohne Dichter"
Kiepenheuer & Witsch 2015, 240 Seiten, 17,99 Euro
eBook 15,99 Euro, AudioCD 24,99 Euro
Weiterer Buchtipp zu Klaus Modick
Sunset