Rafik Schami
Das Geheimnis des Kalligraphen
Schöne Worte in eine ebenso schöne Schrift umzusetzen und der Sprache damit ein kunstvolles Abbild zu geben, das ist das Ziel arabischer Kalligraphen, die ihre Tradition seit Jahrhunderten pflegen. Einer der besten seiner Zunft ist Hamid Farsi. Wir begegnen ihm in Damaskus.
Im Geist des Islam
Arabische Kalligraphie lebt im Geiste des Islam aus der Verehrung des heiligen Koran, in dem das Wort Allahs niedergeschrieben ist. Denn Allah übergab den Koran an Mohammed in arabischer Sprache und Schrift.
Die Ödnis der Wüste
Kalligraphie ist die traditionelle bildende Kunst in der islamischen Welt. Sie entstand, weil der Islam die bildliche Darstellung verbietet. So einfach ist das nicht, sagt Rafik Schami in einem Interview, das Bilderverbot ist kein ursprüngliches islamisches Gebot. Ursprung ist viel mehr die Leere der Wüste: "Das Wort bringt Leben in die Ödnis der Wüste, deshalb ist es so wichtig in der arabischen Welt."
Schönheit des Wortes
Auch dem Kalligraphen in seinem neuen Roman geht es um die Schönheit des Wortes und um die Schönheit seiner Darstellung in klaren, eleganten Buchstaben. Aber das arabische Alphabet hat zu viele Buchstaben. Das muss geändert werden. Ein nahezu revolutionäres Ziel von Hamid Farsi, der damit Absichten verfolgt, die den religiösen Ansprüchen konservativer Kreise zuwider laufen. Deshalb werden solche Pläne nur in geheimen Zirkeln verfolgt.
Farbenprächtige Scheherazade
Das ist die eine Geschichte. Aber in den Romanen von Rafik Schami gibt es niemals nur eine Geschichte. Aus zahlreichen kleinen Geschichten und aus dem Leben vieler Personen knüpft er auch diesmal einen farbenprächtigen orientalischen Teppich, eine aufregende Scheherazade, die mit einem Gerücht beginnt: Nura, die schöne Frau des berühmten Kalligraphen Hamid Farsi, ist geflüchtet.
Gleich zwei Tabus
Eine Liebesgeschichte? Ja, aber nicht irgendeine, sondern es geht um verbotene Beziehungen: die Liebe einer Muslimin zu einem Christen und die Liebe zwischen Männern - Tabus in der arabischen Gesellschaft, die zwischen Toleranz und Hass, Tradition und Moderne, Vergangenheit und Gegenwart pendelt.
Schritt für Schritt
Zunächst erfahren die Leser, wer Nura überhaupt ist, woher sie stammt, was ihr Vater tut, warum sie Bücher liebt und den Kalligraphen geheiratet hat. Parallel zu ihrer Geschichte erzählt uns Rafik Schami die andere - vom Leben eines bettelarmen christlichen Jungen, der eher zufällig Lehrling des Kalligraphen wird.
Ein kleines Universum
Wir sind schon nach wenigen Seiten mittendrin in orientalischer Fabulierkunst: Hier eine Geschichte, dort eine andere, sie verflechten sich, werden ergänzt durch Rückblenden, neue Schauplätze, eine neue Person, ein weiteres Ereignis, das wieder eine Geschichte auslöst und so weiter ... ein Universum auf 464 Seiten.
Arabischer Mikrokosmos
Kapitel für Kapitel lockt uns Schami mit geheimnisvollen Andeutungen immer tiefer hinein in seinen arabischen Mikrokosmos, der stets auch politische Bezüge hat: das demokratische Syrien Ende der 1950er Jahre, Korruption, die sich anbahnende Diktatur, der Konflikt zwischen Christen und Moslems, Arm und Reich.
Ein Denkmal für die Heimat
Rafik Schami erzählt aus dem Syrien seiner Jugend, als er selbst die Kalligraphie lernen musste, lässt immer wieder die Zustände aufscheinen, die ihn als jungen Mann 1971 aus seiner Heimat ins deutsche Exil vertrieben haben.
Liebe zu Damaskus
Die heimliche Hauptperson in diesem Roman ist Damaskus. Rafik Schami lässt uns durch die Gassen mit all ihren Farben, Geräuschen und Gerüchen streifen. Der Stadt, in der er geboren wurde und die seine große Liebe bleibt, der Kunst der Kalligraphie und der arabischen Fabulierkunst setzt er in diesem Roman ein großartiges Denkmal.
(Christiane Schwalbe)
Rafik Schami *1946 in Damaskus, Chemiker und syrisch-deutscher Schriftsteller, lebt seit 1971 in Deutschland
Rafik Schami "Das Geheimnis des Kalligraphen"
Roman, Hanser Verlag 2008, 8. Auflage, 464 Seiten, 24.90 Euro, Taschenbuch 9,90 Euro,
eBook 9,99 Euro, Hörbuch Download 9,25 Euro
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