Rafik Schami
Mein Sternzeichen ist der Regenbogen
Ob die Aprikosen in voller Blüte stehen oder gerade geerntet werden, ob die französischen Kolonialisten Syrien verlassen haben oder nicht oder ob Großmutters Erinnerungen ihren eigenen Gesetzen folgen – in der Heimat Rafik Schamis ist das Geburtsdatum ziemlich egal.
Weise Prophezeiung
Wie auch immer: Er hat im Juni seinen 75. Geburtstag gefeiert und erzählt uns die Geschichte der fantasievollen familiären Datenerfindung gleich zu Beginn in schillernden Farben, denn „mein Sternzeichen ist der Regenbogen, von jedem Sternzeichen eine Farbe", sagt er zu Antoinette, seiner ersten Freundin in seiner Heimatstadt Damaskus. Er hatte in der Verwandtschaft herumgefragt und kein genaues Geburtsdatum in Erfahrung bringen können, wohl aber einen entscheidenden Rat vom weisen Onkel Abil bekommen, dem Betreiber einer Imbissbude:
„Er war der erste, der mir prophezeite, dass ich ein Erzähler werden würde. Ich solle so bald wie möglich abhauen und im Ausland mein Glück suchen. 'Hier wirst du, wie ich zehn Jahre im Knast sitzen, die Barbarei ertragen und am Ende Falafel verkaufen.'"
Zwischen zwei Welten
Schami ist ebenso Geschichtensammler wie Geschichtenerzähler – und hat dabei stets den west-östlichen Blick auf die reiche arabische Kultur seiner Heimat, die er meist augenzwinkernd mit der für ihn anfangs so fremdartigen deutschen verknüpft. Seit 1971 lebt er in Deutschland, kam mitten hinein in turbulente politische Zeiten, hinter sich ein menschenverachtendes, despotisches Unrechtsregime in Syrien. In seinen Romanen und Erzählungen spiegeln sich beide Lebenswelten, die er manchmal melancholisch, meist humorvoll betrachtet, aber auch politisch und kritisch:
„Lachen ist der beste Schmuggler für Ideen, sagt er, er kann große Weisheiten, moralische Prinzipien, ethische Grundsätze, philosophische Erkenntnisse und humanitäre Ideale unauffällig zu ihrem Ziel bringen, aber ebenso Feindseligkeiten, Vorurteile, Verachtung und Verletzungen gut getarnt an der Kontrolle vorbei ins Hirn und Herz schmuggeln"
- im besten Fall getarnt als politischer Witz, um Diktatoren lächerlich zu machen.
Moderne Märchen
Schami schreibt über den patriarchalen arabischen Männlichkeitswahn, der Frauen als Objekte betrachtet und die Klugheit dieser Frauen unterschätzt, die ihre Männer geschickt auszutricksen wissen oder einfach machen, was sie wollen. Er richtet unsere Aufmerksamkeit auf die vielfältigen Facetten des Lebens in seiner Heimat und vergleicht sie mit deutschen Verhaltensweisen. Er erzählt in seinen modernen Märchen vom Lachen, von geheimen Wünschen und Sehnsüchten. Und wir erfahren, dass Reisen viel mehr als nur ein Ortswechsel sein kann: Herrn Moritz will nach dem Tod seiner Frau das Reisen ausprobieren und beginnt mit dem Wandern im eigenen Dorf, in dem er viele Jahre wohnte, sich aber wenig um seine Umgebung gekümmert hat. Dabei trifft er John, den Nigerianer, der wenig Geld hat, aber viel über sein Volk der Igbo und den Biafrakrieg zu erzählen weiß. Weshalb Herr Moritz kurzentschlossen zwei Wochen zu ihm ins Asylantenheim zieht, um seine Lebensgeschichte genauer kennenzulernen – für ihn wie eine Reise nach Nigeria. "Im Herbst bereiste Herr Moritz Afghanistan, Tschetschenien, die Westsahara und Mali" – bis das Asylrecht seine Reisen abrupt beendet.
Liebe und Eifersucht, Freundschaft und Treue, das Leben im Exil und die Sehnsucht nach der Heimat – vergnügliche, aber auch nachdenkliche Geschichten aus dem eigenen und aus fremden Leben.
(Christiane Schwalbe)
Rafik Schami *1946 in Damaskus, Chemiker, vielfach ausgezeichneter syrisch-deutscher Schriftsteller, lebt seit 1971 in Deutschland
Rafik Schami „Mein Sternzeichen ist der Regenbogen"
Roman, Hanser Verlag, 320 Seiten, 23 Euro
eBook 18,99 Euro, AudioCD 13,09 Euro
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