Castle Freeman
Ein Mann mit vielen Talenten
„Stoff, sagte Taft, Inhalt, Story. Wo ist die Story? Ich brauche eine. Läuft nicht gut. Könnte besser laufen. Ein bisschen festgefahren, keine Frage. Warum? Was fehlt?...Ödland. Dieses Gefühl – was ist das? Das Alter?“
Teuflische Variante
Doch als Mr. Dangerfield, sichtbar nur für ihn, dem ausgemusterten Englischlehrer Langdon Taft die Erfüllung all seiner Wünsche anbietet, sind es weder Reichtum noch Jugend, die er anstrebt. Sein Vertrag mit dem mephistophelischen Fremden wird ihn aus seiner festgefahrenen Langeweile reißen, weil er im kleinen Ort in den Bergen von Vermont ein paar Menschen helfen und ein paar andere für ihre Bosheit strafen kann. Mal wird ein krankes Kind geheilt, mal finden sich bösartige Schüler als eklige Kröten wieder, Tafts Korrekturen treffen immer die richtigen. Dangerfield, eine ebenso dreiste wie witzige Variante des Teufels macht es möglich, und Taft, der seinen Marlowe kennt und weiter seinen billigen Whiskey genießt, macht sich keine Gedanken über das Ende seines Kontrakts, das ihn an einen „sehr heißen Ort“ befördern soll.
„Man besiegt den Teufel nicht, indem man besser spielt, sondern indem man das Spiel ignoriert. Du verkaufst deine Seele nicht, sondern beleihst sie, und zwar zu guten Bedingungen: du leihst dir Gold und zahlst mit Luft. Mit weniger als Luft -. Mit nichts.“
Höllische Hitze
Die kurzen Episoden seines durchweg segensreichen Wirkens lesen sich wie Miniaturen moralischen Handelns, die zugleich unglaublich komisch sind, lakonisch und pointiert erzählt. Wenn Dangerfield ihn warnt, dass die Hitze in der Hölle ewig dauern wird, entgegnet Taft trocken: „Vergessen Sie nicht: Wir sind hier in Vermont. Bei uns ist Ewigkeit ein anderer Name für März“. Castle Freeman hat mit ihm einen hinterwäldlerischen und zugleich abgeklärten Gegen-Faust erschaffen, der seine Wohltaten und sich selbst mit Skepsis und Ironie betrachtet und sich vor allem nicht langweilen will.
„…allen geht es immer ums Geld. Wo ist es? Wer hat es? Wie hat er es gekriegt? Wie viel hat er? Seit wann? Mich hat das nie interessiert. Arme wird es immer geben, Reiche ebenfalls. Setze das, was du hast, für andere ein, nicht verschwenderisch, aber mit offener, freigebiger Hand. Keine Bedingungen, keine Spielchen. Gib es aus. Verschenk es. Zweifellos das Geheimnis meines Misserfolgs.“
Die giftigen Kommentare der 98jährigen Calpurnia, Großtante seines einzigen Freundes Eli und wachsame Beobachterin des Geschehens im Tal, tragen zum Lesevergnügen bei, zumal die Zeit des Kontrakts allmählich abläuft und man sich fragt, wie Freeman die ‚Story‘, die er seinem Helden gewährt, zu beenden gedenkt.
„Die Zeit läuft ab, Chief. Sie haben nicht mehr viel davon, das ist klar, oder? Sie sind bald fällig. Wie sie wissen, hatten wir ein Datum vereinbart: Columbus Day. Das wäre dann also übermorgen.“
Verbrecherische Umtriebe
Dangerfields Ansagen, im Roman immer kursiv gedruckt und nur für Taft vernehmbar, sind da eindeutig. Doch das Ende soll natürlich nicht verraten werden. Immerhin ist der Teufel von der Nähe seines Tuns zum Showbusiness überzeugt, und der Autor hat sichtlich Freude an seinem Spiel. Und in seinen bisherigen Romanen über verbrecherische Umtriebe in den Tälern Vermonts setzte Castle Freeman dem Wirken älterer Männer noch stets gut durchdachte Denkmäler, in denen der Teufel allemal im Detail steckte.
(Lore Kleinert)
Castle Freeman, *1944 in St. Antonio/Texas, Journalist und Autor von Kurzgeschichten und Romanen
Castle Freeman „Ein Mann mit vielen Talenten“
aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren
Roman, Hanser Verlag 2022, 175 Seiten, 22 Euro
eBook 16,99 Euro