Tomi Obaro
Freundin bleibst du immer
Anreise mit Hindernissen, nicht selten in Nigeria: Eine Freundin kommt mit Tochter, aber ohne Gepäck auf dem Flugplatz in Lagos an, der anderen wird der Koffer bei einem Raubüberfall auf ihren Reisebus gestohlen, die dritte steckt bis über beide Ohren in Hochzeitsvorbereitungen.
Wie Schwestern
Sie heißen Enitan, Zainab und Funmi und „sind praktisch Schwestern”. Sie haben in den 1980er Jahren gemeinsam studiert und sind kurz danach auseinandergegangen. Enitan, die unscheinbarste von ihnen, romantisch und schüchtern, steht immer ein wenig im Schatten der beiden anderen, Zainab und Funmi, beide Schönheiten und umschwärmt. Aber sie hält das Trio zusammen. Zainab, aufgezogen von zwei Stiefmüttern, hat ihre große Liebe geheiratet - nicht eben eine leichte Angelegenheit, denn ihr Vater war strikt dagegen - und vier Söhne bekommen. Und Funmi ist reich geworden:
„Apartment-in-London-reich, Shoppen-bei-Harrods-reich, Haus-in-Lekki-plus-Landsitz-reich, SUV-mit-getönten-Scheiben-reich .... Fahrer-und-Diener-und-was-ihr-Mann-macht-ist-unklar-aber-definitiv-korrupt-wobei-sie-lieber-nicht-drüber-nachdenkt-reich."
Die prunkvolle Hochzeit ihrer Tochter Destiny soll ein gesellschaftliches Event werden, von dem man noch lange reden wird. Und es wird viele Dollarscheine auf das Brautpaar regnen, wie es Brauch ist im Land, erst recht in reichen Familien.
Mütter und Töchter
Tomi Obarao erzählt von den drei Frauen aus unterschiedlichen Zeitperspektiven – mal über ihr Wiedersehen nach vielen Jahren in der Heimat, mal im Rückblick auf Kindheit und Jugend und die Schicksalsschläge, die sie als Erwachsene überstehen mussten.
Zunächst ist es das zwanglose Leben junger Studentinnen, die dem Elternhaus entronnen sind und im Norden Nigerias studieren. Zainab will schreiben, fühlt sich durch den Erfolg ihres ersten Theaterstücks bestätigt und ist glücklich, nicht den alten Traditionen folgen zu müssen:
„... dass sie überhaupt studieren konnte, dass man sie nicht mit vierzehn oder fünfzehn, kaum, dass ihre Brüste sichtbar wurden, verheiratet hatte, dass sie der unangefochtene Liebling ihres Vaters war."
Ihre Träume verwirklichen sich nicht, denn sie muss ihren Mann betreuen, der nach zwei Schlaganfällen zum Pflegefall wird.
Funmi ist eine attraktive und selbstbewußte junge Frau – trotz liebloser Mutter und einem Vater, der nichts von Bildung für Mädchen wissen will. Sie wird ungewollt schwanger und entscheidet sich für eine illegale Abtreibung. Später stirbt ihr Freund während einer politischen Demonstration von Studenten, die brutal aufgelöst wird.
Enitan ist mit einem weißen US-Amerianer durchgebrannt. Ihre Tochter kommt in New York zur Welt, hat rote Haare und Sommersprossen. Die nigerianische Herkunft sieht man ihr nicht an:
„Dass Remi ihrem Vater so ähnlich und ihr selbst so unähnlich sah, verstärkte nur das Gefühl der Entfremdung gegenüber ihrer Tochter. Niemand hielt die beiden für verwandt, und obwohl sich Enitan längst daran gewöhnt hatte, gab es immer wieder Momente, in denen sie sich dessen schmerzlich bewusst wurde."
Familiendrama
Drei unterschiedliche Lebensgeschichten von starken Frauen in einem afrikanischen Land, in dem Armut, schwarze Magie und Gewalt neben Reichtum und Hochmut stehen, Studierende gegen die Militärdiktatur auf die Strasse gehen, Frauen sich üblicherweise dem Diktat der Väter und Ehemänner unterordnen mussten, die Traditionen der Vorfahren nach und nach bedeutungslos werden. Eine Heirat aber ist und bleibt ein Ausnahmeereignis und „nigerianische Hochzeiten sind – so sagt es Tomi Obaro in einem Verlagsvideo - „ein großartiger Ort für Familiendramen."
Und ein Drama gibt es auch am Ende dieses schön erzählten Debütromans – aber mit versöhnlichem Ausgang.
(Christiane Schwalbe)
Tomi Obaro "Freundin bleibst du immer"
aus dem Englischen von Stefanie Ochel
Roman, hanserblau 2022, 320 Seiten, 24 Euro
eBook 17,99 Euro, Audio-CD 12,46 Euro