Imbolo Mbue
Wie schön wir waren
Kosawa ist ein kleines Dorf in Afrika, dessen friedliches Leben sich grundlegend verändert hat: Ein amerikanischer Konzern hat nach Öl gebohrt und fördert rücksichtslos und profitgierig die kostbare Ressource Erdöl zutage.
Unerfüllte Versprechen
Die Bewohner wissen nicht, was mit ihnen geschieht – aber sie sehen mit Entsetzen ihre Kinder sterben und Äcker verdorren.
„Wir hätten wissen müssen, dass das Ende nahte. Wie hätten wir es nicht wissen sollen? Als auf einmal Säure vom Himmel regnete und die Flüsse sich grün färbten, hätten wir es wissen müssen, dass unser Land bald tot sein würde.”
Ihre Lebensgrundlagen werden zerstört, und dennoch gehen sie wieder und wieder zu den wöchentlichen Treffen auf dem Dorfplatz, um sich Lügen anzuhören und Versprechungen, die nie erfüllt werden:
„Die Regierungsvertreter erzählten ihnen, dass das Bohren nach Öl unserem Dorf etwas bringen werde, das sich Entwicklung nenne ... eines Tages werde eine großartige Sache namens Wohlstand in Kosawa Einzug halten.”
Ausbeutung des Landes
Eines Tages nimmt Konga, der Dorfirre, die Sache auf seine Weise in die Hand und klaut den Autoschlüssel der Regierungsvertreter. Den Irren darf niemand berühren, das bringt Unglück, also werden die drei Männer als Gefangene des Dorfes eingesperrt. Das ist der Anfang des jahrzehntelangen Protestes gegen die Ausbeutung des Landes durch den amerikanischen Ölkonzern. Es gibt zwei Parteien: Jene, die am Wohlstand teilhaben und in einem Steinhaus leben wollen, müssen für die Ölfirma arbeiten und den Mund halten. Die anderen versuchen weiter, sich zu wehren gegen verschmutzes Trinkwasser und vertrocknete Felder:
„Wir dachten an jene, die an Krankheiten gestorben waren, für die es weder Namen noch Heilmittel gab – unsere Geschwister und Cousins und Freunde, die an dem Gift im Wasser und dem Gift in der Luft und an dem vergifteten Gemüse und Obst aus der Erde umgekommen waren."
Aktion Neuanfang
Es ist ein Kampf Davids gegen Goliath, der sich über vierzig Jahre hinziehen und viele Männer erst die Freiheit und dann das Leben kosten wird. Mit der Hilfe eines engagierten Journalisten wird die Nachricht von der Ausbeutung des Dorfes und seiner Bewohner, von Krankheit und Tod, Hunger und Arbeitslosigkeit bis nach Amerika getragen, wo sich eine Art Aktionsbündnis bildet:
„In einem Brief, den sie uns aus Amerika geschickt hatten ... erzählten uns die Leute von der Aktion Neuanfang - Verein zur Wiederherstellung der Würde unterjochter Völker.”
Unterjocht auch von einer korrupten Regierung, die mit der Ölfirma Paxton gemeinsame Sache macht, um Gelder in die eigene Tasche zu schaufeln, wie es „Seine Exzellenz" tut. Der verhökert Afrikas Ressourcen und zerstört über Generationen hinweg die Lebensgrundlagen von Dorfbewohnern, die an den Großen Geist glaubten und an das Vermächtnis ihrer Ahnen, an die Rolle des Mannes als Ernährer und der Frau als Mutter.
Eine Frau allerdings wird dieser Rolle nicht entsprechen, es ist Thula, die mit Geldern, die die Aktion Neuanfang von Paxton bekommt, um die Menschen zu beruhigen, in Amerika studieren kann und in dieser Zeit mit Briefen die Hoffnung und den Widerstand der Dorfbewohner anstachelt. Als radikale Aktivistin kehrt sie schließlich zurück in ihr Dorf.
Vielstimmige Perspektive
Imbolo Mbue stammt aus Kamerun, sie weiß sehr genau, wovon sie schreibt, kennt den unseligen Pakt zwischen kolonialen und einheimischen Mächten, die sich ausschließlich wegen des Profits verbünden. Dabei kritisiert sie durchaus die rückständigen Strukturen, den Ahnen- und Geisterglauben, in dem viele Menschen Afrikas gefangen bleiben. Ihr Roman wird aus der vielstimmigen Perspektive der Dorfbewohner erzählt – mal sind es die Kinder, mal spricht die Mutter von Thula, mal ihr Onkel, der Vater oder Kinder, die erwachsen geworden sind. In ihrer wunderbaren, klangvollen und poetischen Sprache stellt sie die alte Ordnung afrikanischer Dörfer, die Schutz, Halt und Orientierung gaben, neben Lebensformen, die ihnen zwar mehr Wohlstand bescheren, sie aber auch ihrer Autonomie und Identität berauben.
„Heute, im Jahr 2020 nach dem Abend, als Konga uns aufgefordert hat, uns endlich zu erheben, haben unsere Kinder gute Jobs bei der Regierung oder bei Unternehmen in Europa und Amerika. Alle sieben Dörfer haben jetzt Strom ..Viele von uns haben Handys und Flachbildfernseher. In Lokunja kann man sich diese Sache namens Internet ansehen und dort über uns lesen oder sich Hütten wie die anschauen, in denen wir geboren sind.”
Kosawa wurde dem Erdboden gleichgemacht, weil das Land zu vergiftet sei für die Anwesenheit von Menschen.
(Christiane Schwalbe)
Imbolo Mbue, *1982 in Kamerun, mit 17 Jahren zum Studium in die USA ausgewandert, amerikanische Schriftstellerin, lebt in New York, PEN/Faulkner Award 2017 für "Das geträumte Land"
Imbolo Mbue „Wie schön wir waren"
aus dem Englischen von Maria Hummitzsch
Roman, Kiepenheuer & Witsch 2021, 448 Seiten, 23 Euro
eBook 14,99 Euro