Nick Harkaway
Smiley
John Le Carrés erster Roman „Der Spion, der aus der Kälte kam“ machte ihn berühmt, auch dank Richard Burton, der dem Agenten Alec Leamas in der Verfilmung ein unvergessliches Gesicht gab. Bis zum folgenden Buch mit dem besonderen Geheimdienstmann Smiley ließ er sich Zeit und eine Lücke. Sein Sohn hat sie unter dem Namen Nick Harkaway jetzt gefüllt und Smiley zum neuen, literarischen Leben erweckt, im Stil der Romane seines Vaters, aber sprachlich aufgefrischt.
Stolperfallen von morgen
„Smiley glaubte nicht an Ideologien, sondern, entgegen der Beweislage, an Menschen, eine Sünde, die sich niemand in der Welt des Geheimen leisten konnte.“
Dass dieser intelligente, feinfühlige Smiley, der nach Leamas Tod den MI6 verlassen hat, seine schöne und umtriebige Frau Lady Ann und das bequeme Leben in Oxford verlässt, um in die Kälte des geheimen Krieges, die „Arme seiner kalten Geliebten“, wie seine Frau meint, zurückzukehren, beruht in erster Linie auf seiner Loyalität, wohl wissend, dass die „Gewissheiten von gestern zu Stolperfallen von morgen“ werden und der Feind auf der anderen Seite gefährlicher denn je für die Errungenschaften der westlichen Welt ist. Miki, ein Mann aus dem Osten mit Mordauftrag, läuft über, und seine Zielperson, ein ungarischer Verleger in London und selbst Spion des KGB verschwindet rechtzeitig. Smileys Chef mit dem passenden Namen Control wird seinen schweigsamen Joker Smiley mit einer außerordentlichen Mission betrauen, die ihn wieder in den Ostblock schickt, begleitet von Susanne, die für den verschwundenen Verleger arbeitete und, neu angeworben vom MI6, zu einer weiteren Spielfigur in den geheimen Machenschaften der frühen Sechziger Jahre wird.
„Ich will, dass jeder die Rolle spielt, die am besten zu ihm passt. Und ich will gewinnen. Schließlich handelt es sich um einen Krieg, und wenn man Krieg führen muss, dann gewinnt man ihn besser, trotz aller Unannehmlichkeiten, die das mit sich bringt, statt ihn zu verlieren und den Preis für die Niederlage zu zahlen.“
Hinter den Kulissen
Smiley’s People sind also zurück, und Harkaway ist es gelungen, komplexen Geheimdienstaktionen den düsteren Glanz zu verleihen, den sie verdienen, in einer reichen und genauen Sprache, die der Melancholie des Scheiterns und beharrlichen Wiederaufstehens dieser dunklen Jahre, gegen alle bürokratischen und menschlichen Hindernisse, Rechnung trägt; der Fall der Mauer und das vermeintliche Ende des Kalten Krieg ließ noch 26 Jahre auf sich warten. Wer sich in den Sog dieses ungemein spannenden Romans hineinziehen lässt, erfährt viel über den geheimen Krieg hinter den Kulissen, heute umso mehr, als die Hoffnung, dass er an ein Ende gekommen sei, sich als Illusion erwiesen hat. Die Männer und Frauen im Schatten der großen Politik, die ihr Leben riskieren, zeichnet auch Harkaway mit Sympathie und Mitgefühl, auch für ihre Schattenseiten.
„Nicht jede Person in einer Organisation muss ein heller Stern sein – irgendjemand muss herumstapfen und die Lücken füllen. Der Großteil der Spionagearbeit ist ganz gewöhnliche Arbeit, und das Außergewöhnliche ist selten eine gute Nachricht.“
Wiederauferstehung
Dass die moralischen Standards im eigenen Apparat kaum weniger hoch sind als bei den politischen Gegnern ist eine Erfahrung, die Smileys Sicht prägt, und sein leiser Zynismus zieht sich durch alle Aktionen und Risiken, die seine Leute eingehen, denn die Erinnerung daran, dass Alec Leamas geopfert wurde, ist lebendig und quälend. Während sich die Aktionen von London über Wien und Berlin nach Budapest, nach Portugal und zurück nach London mäandern, ist es Smileys Part, Kollateralschäden möglichst gering zu halten und den Focus auf seinen ewigen Gegner ‚Karla‘ dennoch nicht aus dem Auge zu verlieren. Mit seiner Wiederauferstehung hat Nick Harkaway seinem Vater John Le Carré, dem er seinen Roman widmet, alle Ehre erwiesen. Eine gelungene Einladung, hinter die Kulissen politischer Machenschaften zu schauen.
„Du folterst einen Mann nach allen Regeln, denn wenn du das nicht tust, ist es bereits Landesverrat, aber du bist so vorsichtig, wie du nur kannst, denn es könnte gut sein, du sitzt morgen mit ihm in einer Zelle und hoffst, der Bursche, der jetzt deinen Job hat, sieht die Welt so klar wie du. Rein einsatztechnisch sehr kräftezehrend. Und teuer.“
(Lore Kleinert)
Nick Harkaway, *1972 in Cornwall/England, Sohn des Autors John le Carré, englischer Schriftsteller, lebt in London
Nick Harkaway „Smile“
ein Roman aus John Le Carrés Circus
aus dem Englischen von Peter Torberg
Ullstein Verlag 2025, 368 Seiten, 24,99 Euro
eBook 19,99 Euro, Hörbuch-Download. 23,99 Euro