Banana Yoshimoto
Lebensgeister
Sayoko schwebt zwischen Leben und Tod – einen schweren Unfall hat ihr Freund nicht überlebt. Sie selbst schafft es nur knapp und hat danach große Schwierigkeiten, wieder mit dem Leben zurecht zu kommen.
Dem Tod ganz nah
"Als ich die Eisenstange bemerkte, wie sie da in meinem Bauch steckte, dachte ich: Verdammt, das sieht nicht gut aus ... Ich werde sterben."
Aber hinzu kommt noch eine andere Wahrnehmung, die aus der Regenbogenwelt:
"Wohin ich auch schaute – überall glitzerte und funkelte es, ich fühlte mich so wohl und leicht, dass ich am liebsten immerfort vor mich hingeträllert hätte."
Skulpturen aus Eisen
Eine Nahtod-Erfahrung. Der Unfall hat sie so sehr verstört, dass sie – halbwegs genesen - jeden Abend in der Kneipe sitzt, um ihre "Wunden zu desinfizieren". Der Barkeeper, in sie verliebt, passt auf sie auf. Sayoko versucht, den Tod des geliebten Freundes, der ein begabter Bildhauer war, zu bewältigen, indem sie sich um Bewahrung und Archivierung seiner Kunstwerke kümmert. Es sind Skulpturen aus Eisenstangen.
Tote als Lebensgeister
Und plötzlich bemerkt sie, dass sie Geister sehen und sogar mögen kann, Verstorbene, die sich nur ihr zeigen. Sie werden – buchstäblich – zu ihren Lebensgeistern, führen sie mit Menschen zusammen, die ihr helfen, den Tod des Freundes zu bewältigen. Es dauert lange, bis sie wieder zu sich zurück findet, im Leben einen Sinn auch ohne den geliebten Freund sehen und sich selbst dabei neu erfinden kann.
"Wie reich ist doch die Welt … Ob man lebt oder tot ist, macht eigentlich keinen Unterschied. Und die Wahrheit ist: Alle haben alles in sich. Das merkt man aber erst, wenn man dem Tod schon einmal begegnet ist."
Und sich an Tote erinnert. An den Opa, der so "cool auf seiner Harley aussah", ebenso wie an den geliebten Hund.
Still und eindrucksvoll
Ein Buch, das empfindsam, still und eindrucksvoll von der Überwindung eines Traumas und einer Selbstfindung erzählt, die bestimmt ist von der Magie unerforschter Wahrnehmungen, die man am eigenen Leib erlebt, und von japanisch-mystischen Traditionen. Aber auch von einem neuen Gefühl zu sich selbst und von den Farben, die die Welt langsam wieder gewinnt:
"Wir haben nur das Jetzt, Augenblick für Augenblick, aber welch eine unerschöpfliche Fülle sich allein schon in einem einzigen Moment offenbart!"
(Christiane Schwalbe)
Banana Yoshimoto, *1964 als Mahoko Yoshimoto, Autorin zahlreicher Bücher mit Millionen-Auflagen
Banana Yoshimoto "Lebensgeister"
Aus dem Japanischen von Thomas Eggenberg
Roman, Diogenes 2016, 160 Seiten, 15 Euro
eBook 12,99 Euro