Ismail Kadare
Die Pyramide
Drei Pyramiden stehen in Gizeh – die größte von ihnen und zugleich die höchste der Welt ist die Cheops-Pyramide. Sie ist auch die älteste. Cheops wollte ursprünglich gar kein Grabmal für sich bauen lassen, aber:
Schreckensbotschaft
"Als der junge Pharao Cheops, der erst vor wenigen Monaten den Thron bestiegen hatte, an einem Spätherbstmorgen kundtat, er werde wahrscheinlich keine Pyramide für sich errichten lassen, verdüsterten sich bei denen, die es vernahmen, die Mienen … Was für eine entsetzliche Botschaft!"
Machtpolitische Intrigen
Astrologen, Priester und der Hofstaat bearbeiten ihn – überzeugend: Die Herrschaft des Pharaos sei in Gefahr, denn die ägyptische Gesellschaft sei zu wohlhabend geworden, der Bau der Pyramide werde sie lehren, bescheidener zu werden, sich unterzuordnen und dem Überfluss abzuschwören. Ein geschickter machtpolitischer Schachzug, denn wenn sich alles Leben dem Pyramidenbau unterordnen muss, ist für Ausschweifungen und Müßiggang keine Zeit mehr. Zumal der Bau sämtliche Kräfte und finanziellen Mittel binden und das Volk in Armut stürzen wird.
Symbol für Macht und Tod
Also wird die Cheops-Pyramide zum Tod bringenden Symbol von Macht und Unterdrückung. Ismail Kadare beschreibt den Bau mit all' seinen monströsen Auswirkungen. Tausende von Sklaven und Arbeitern lassen ihr Leben – in den Steinbrüchen, unter herabstürzenden Steinbrocken, in stickigen Räumen im Inneren der Pyramide, unter sengender Sonne – egal, ob Aufseher, Abzähler, Ruderer, Fuhrleute, Kontrolleure, Stauer, Rampenschlepper, Antreiber oder Steinsetzer.
"Die Maurer des Todes, wie die mit dem Innenausbau Beschäftigten genannt wurden, hatten ständig Kopfschmerzen" und den Tod vor Augen. Als Geheimnissträger werden auch sie sterben.
Düstere Vorhersagen genannt
Die Pyramide bestimmt fortan das Leben in Ägypten und mit ihr Angst, Hass und Machtgier. Denn es sind nicht nur die unzähligen Unfälle, die den Bau zur gesellschaftlichen Tortur machen, auch Intrigen und Verschwörungen, Ängste und düstere Visionen:
"Menschen und Geister kamen, nahmen jeweils einen Stein und verschwanden damit in der Nacht."
Eine faszinierend erzählte, bizarre Geschichte und eine eindringliche politische Parabel über die Perversion von politischer Macht in totalitären Systemen.
(Christiane Schwalbe)
Ismail Kadare * 1936 in Albanien, Albaniens berühmtester Schriftsteller, lebt in Tirana und Paris
Ismail Kadare "Die Pyramide"
übersetzt aus dem Albanischen von Joachim Röhm
S. Fischer 2014, 160 Seiten, 19,99 Euro