Lavanya Sankaran
Die Farben der Hoffnung
In kaum einem anderen Land prallen soziale Gegensätze so hart aufeinander wie in Indien – Tradition und Moderne, Religiosität und Fortschrittsglaube, Armut und Reichtum sorgen zunehmend für kaum überwindbare Konflikte und ziehen tiefe gesellschaftliche Gräben durchs Land.
Harte Gegensätze
Bittere Armut und boomender Kapitalismus, Luxusvillen millionenschwerer Unternehmer und Slums aus Wellpappe und Lumpen, eine aufstrebende Elite neben Analphabeten – das alles ist Indien. Ein Mensch ist hier nichts wert, wenn er arm ist, und in Indien sind das Millionen, die unter menschenunwürdigen Umständen dahinvegetieren.
Gute Geschäfte
Anand hat es geschafft, er ist erfolgreicher Unternehmer in Bangalore, dem wirtschaftlichen Zentrum des neuen Indien. Er will expandieren und hofft auf lukrative Geschäfte mit ausländischen Investoren. Seine Ehe läuft gut, er ist durchaus wohltätig und gibt sich sozial, hat zwei Kinder und eine Frau, die sich nicht nur Extravaganzen erlaubt, wann immer sie will, sondern ihr Personal auch täglich spüren lässt, wer Herrin im Haus ist. Aufmucken gibt es hier nicht, sonst steht man auf der Straße.
Gedemütigte Frauen
Kamala arbeitet als Dienstmädchen bei der Familie, sie wohnt in ärmlichen Verhältnissen und muss ihren Sohn allein durchbringen, nachdem sie als Witwe ihr Dorf verlassen hat, um nicht abhängig zu sein von der Gnade ihrer Verwandten. Frauen gelten nichts in diesem Land, aber ohne Ehemann sind sie nur noch eine Last für alle.
Überall Korruption
Anand will neues Land kaufen, sein Schwiegervater mischt sich ein, um Profit und Ehre einzustreichen. Landkauf ist ohnehin ein äußerst schwieriges Unterfangen in Indien. Die Korruption regiert überall, erst recht vor bevorstehenden Wahlen. Da werden viele Hände aufgehalten, nicht nur in den Städten:
"Tausend Jahre oder mehr hatte diese kleine Siedlung als Dorf vor sich hin geschlummert. Dann war die ferne Stadt lärmend immer näher gerückt, bis das Dorf eines Tages komplett geschluckt wurde und keines mehr war. Die Bauern verkauften ihre Felder und wurden zu Ladeninhabern; ehemalige Dorfhäuser wurden beliebigen Interessenten zur Miete angeboten … der Charakter der Dorfbewohner verwandelte sich über Nacht ..."
Neid und Hass
Vor dem Hintergrund einer möglichst schnellen Expansion der Firma gerät das geregelte Leben der Familie in Unordnung, sie droht zu zerbrechen. Neid, Hass und böse Anschuldigungen bringen auch Kamala um den Job und ihren Sohn um die ersehnte Schulbildung. In dieser Gesellschaft ist sich jeder selbst der Nächste, beide bekommen das zu spüren.
Eindringlich und fesselnd beschreibt die Autorin am Beispiel einer Unternehmerfamilie die rasante Veränderung Indiens, die Traditionen und Sicherheiten über den Haufen wirft und intakte soziale Netze zerreißt. Ein spannendes Buch über eine Gesellschaft im Wandel.
(Christiane Schwalbe)
Lavanya Sankaran, geboren in Bangalore, Indien, war in den USA Investmentbankerin und Unternehmensberaterin, lebt wieder in Bngalore
Lavanya Sankaran "Die Farben der Hoffnung"
Roman, übersetzt aus dem Englischen von Kathrin Razum
Diogenes 2014, 464 Seiten, 22,90 Euro
eBook 20,99 Euro