Jhumpa Lahiri
Einmal im Leben
Eine Liebesgeschichte
Trübe Regentage werden schöner, wenn man sie unbehelligt von der Außenwelt im Lesesessel verbringen darf. Noch viel schöner, wenn man ein Buch aufschlägt und es wie gebannt in einem Zug bis zum Ende liest.
Einmal im Leben
"Gebannt" ist das Stichwort. Es sind Ideen, Vorstellungen, Erinnerungen, die die Amerikanerin Jhumpa Lahiri in ihrem Erzählen zu bannen versucht, Lebens-Geister sozusagen, die wie Wiedergänger die Leben der beiden Protagonisten über Jahre berühren oder gar bestimmen. Es ist die eine Liebe, das "Einmal im Leben", das über einen Zeitraum von 25 Jahren immer bleibt.
Aus Indien eingewandert
Der Roman erzählt die Geschichte von Hema und Kaushik, die sich als Teenager kennenlernen. Hema ist fasziniert vom 16jährigen Kaushik, der ihr furchtlos und erwachsen vorkommt und der sie - die kleine 13jährige - kaum beachtet.
Beide sind Kinder aus indischen Einwandererfamilien und lernen sich kennen, als Kaushiks Eltern sich zwecks Übersiedlung von Indien nach USA und Wohnungssuche für einige Monate bei Hemas Eltern einquartieren. So lebt man beengt und versucht doch, Distanz zu halten, was dank guter indischer Kinderstube und der Gesetze der Gastfreundschaft auch zunächst gelingt.
Wut und Eifersucht
Jedoch geht die Freundschaft zwischen beiden Familien auseinander. Ein paar Jahre später wird Kaushik, der den frühen Tod seiner Mutter nicht verwunden hat, damit konfrontiert, dass sich sein Vater eine neue, jüngere Ehefrau aus Indien ins Haus holt, die zwei kleine Töchter mitbringt.
Kaushik reagiert voll Wut und Unverständnis und reduziert den Kontakt zu seinem Vater auf ein Minimum. Er ist nun Anfang 20, Wanderjahre, Studentenzeit, das Leben wird immer amerikanischer und will ausprobiert sein.
Zwanzig Jahre danach: Hema arbeitet als Altphilologin und hat viele Jahre in der erfolglosen Beziehung mit einem verheirateten Mann gelebt. Kaushik ist Pressefotograf geworden, heimisch im Nirgendwo der Bürgerkriegsschauplätze rund um die Welt, und im Begriff, in Shanghai sesshaft werden zu wollen. Da gibt es für beide ein Zufallswiedersehen in Rom.
Zwischen den Kulturen
Jhumpa Lahiri ist Amerikanerin mit indischen Wurzeln. "Unaccustomed Earth" (deutsch etwa "Ungewohnte Erde"), der englische Originaltitel der Geschichte von Hema und Kaushik, verweist auf ihre Themen:
Sie zeigt, wie Migration und die Frage nach der kulturellen Zugehörigkeit ein Leben beeinflussen, auch ohne dass diese Frage in voller Schärfe gestellt wird. Durch subtilen Wechsel der Perspektive zeigt sie auch, wie die Zartheit eines Eindrucks, aber auch Verletzungen, Entwurzelung und die Brutalität des Todes Brandzeichen setzen, denen man nicht entkommt.
Mit großer erzählerischer Wucht, spannend und dicht, macht diese nichtsdestoweniger feine, zarte und traurige Liebesgeschichte beim Lesen vollkommen zufrieden. Was für ein kleines, großes Buch.
(Gabi von Alemann)
Jhumpa Lahiri "Einmal im Leben"
Roman, übersetzt aus dem Englischen von Gertraude Krueger
Rowohlt 2008, 2. Auflage, 176 Seiten, 16,90 Euro, broschiert 10 Euro
Audiobook 24,95 Euro