Margriet de Moor
Mélodie d'amour
Liebe kennt keine Gnade, Liebe ist bedingungslos, ein machtvolles Gefühl, das uns tragen oder quälen kann, beglücken oder verstören. Die Liebe ist seit langem das Thema von Margriet de Moor. Aber auch der Tod.
Episoden der Liebe
Wir lernen dieses anarchische Gefühl in sehr unterschiedlichen Ausprägungen kennen - in vier miteinander verbundenen Episoden, mit scheinbar ganz normalen Menschen. Aber mit der Liebe kommen immer auch andere Gefühle, die de Moors Protagonisten beherrschen und ihr Seelenleben steuern.
Besitzanspruch
Als manische Obsession wird uns die Liebe von Cindy vorgeführt, die sich den Archäologen Luuk angelt - er steht im Mittelpunkt aller vier (Dreiecks)Geschichten. Sie lockt ihn in ihr Spinnennetz und versucht ihn festzuhalten. Eine Besitz ergreifende Liebe, aus der sie auch und gerade dann nicht mehr herausfindet, als der Geliebte eine neue Freundin hat und sie die beiden im Bus verfolgt – mit einer Waffe in der Manteltasche.
Makabres Szenario
Luuk ist der Sohn von Gustaaf, der immer noch an seiner Frau Atie hängt, obwohl sie seit Jahren getrennt leben und er eine neue Familie gegründet hat – mit einer Frau, die von Atie einst als Untermieterin und Freundin ins Haus gebracht wurde. Als Atie nach schwerer Krankheit stirbt, schleppen seine vier Söhne den Sarg aus ihre Wohnung, damit er sich verabschieden kann – den Zutritt zum Haus hat ihm seine Exfrau verboten, auch nach dem Tod. Eine makabre, fast komische Szene.
Liebe und Tod
Roselynde, neue Freundin von Luuk, lebt in abgöttischer Liebe zu ihrem acht Jahre älteren Bruder, der sie beschützt und behütet hat, seit sie ein Baby war. Er kann den Unfalltod seiner ersten Freundin und großen Jugendliebe nicht verwinden, an dem seine Schwester nicht unschuldig ist. Er stirbt, möglicherweise an der tiefen Trauer über den Verlust.
Liebe und Tod hängen in diesen vier Episoden eng zusammen, der Tod setzt stets einen dramatischen Schlusspunkt. Auch für Myrte, die Ehefrau von Luuk. Sie war vor vierzig Jahren unsterblich in den Vater ihrer Freundin verliebt, der in dem Krankenhaus lag, in dem sie als Schwesternschülerin arbeitete. Mit einem Kuss erweckt sie ihn zu neuem Leben – wenn auch nur für kurze Zeit. Beim Wandern auf dem Pilgerpfad treffen sich die Freundinnen wieder.
Seele unter Verschluss
Stets sind es die Frauen, die aus der Liebe einen Ausnahmezustand machen. Die Männer bleiben eher pragmatisch, integrieren das große Gefühl in den Alltag, als wäre es nichts Besonderes. Umso detailreicher beschreibt Margriet de Moor ihre Rolle in der Arbeitswelt, als stünde der sachliche Part stets den Männern zu, die sich im Alltäglichen wohler fühlen, dort Herausragendes leisten und die Liebe ausblenden.
Die Liebe - Glück und Unglück zugleich, archaisch, unberechenbar, zerstörerisch, ein Drahtseilakt und ein ewiges Spiel um Leben und Tod. Ein intensiv erzählter Reigen rund um ein unergründliches Gefühl.
(Christiane Schwalbe)
Margriet de Moor *1941 in Noordwijk, studierte zunächst Klavier und Gesang, bevor sie erst 1984 den ersten Band mit Erzählungen veröffentlichte, sie lebt in Amsterdam
Margriet de Moor "Mélodie d'amour"
Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen
Hanser 2014, 384 Seiten, 21,90 Euro
eBook 16,99 Euro
Weitere Buchtipps zu Margriet de Moor
"Von Vögeln und Menschen"
"Schlaflose Nacht"