Kat Menschiks und des Psychiaters Doctor medicinae Jakob Hein
Illustrirtes Kompendium der psychoaktiven Pflanzen
Rein optisch ist dieses grellbunte Buch in Pink, Gelb, Grün und Blau schon mal ein ganz und gar vergnüglicher Trip in die Welt der Rauschmittel, denn: „Der Mensch liebt den Rausch, auch wenn sich immer mal wieder jemand dabei vergiftete."
In Stein gemeißelt
Jakob Hein hat sich auf eine kleine „besonders schöne" Auswahl psychoaktiver Pflanzen beschränkt, denn es gibt zu viele, über die dann auch noch jede Menge Geschichten zu erzählen sind. Aber was heißt eigentlich psychoaktiv? Die in den Pflanzen enthaltenden Substanzen wirken bewußtseinsverändernd bis bewußtseinsverzerrend, meint: da passiert irgendetwas im Gehirn, was nicht immer steuerbar ist – weshalb Hein vom „Konsum der weitaus meisten hier erwähnten Pflanzen" abrät, ausgenommen vielleicht Schokolade. Er warnt aus gutem Grund, hat er sich doch in zahlreiche alte Bücher und Dokumente vertieft. Denn:
„Die Menschen haben die Blätter gekaut, die Wurzeln gekocht, die Samen vergoren, die Blüten geraucht, die Rinde geraspelt – was auch immer einen Effekt hatte, es wurde weiterprobiert. Und dann wurde es aufgeschrieben, in Stein gemeißelt oder in Geschichten verpackt."
Im Garten und auf dem Feld wächst und blüht so manches Gift - Titanwurz, Acker-Gauchheil, Waldglöckchen gehören dazu, auch duftender Goldlack und selbst Schneeglöckchen, Narzissen und Schmucklilien. Zu Heins psychoaktivem Blumenstrauß gehört auch „Brennender Busch", der Wiesengräserdermatitis auslöst:
„Die Blumen des Bösen gedeihen eben nicht nur in den moralischen Abgründen der Großstädte, viele von ihnen wachsen auch einfach am Wegesrand."
Geschnupft, geraucht, vergoren
Aus Anis, Fenchel, Zitronenmelisse und Wermut wurde Absinth hergestellt, genannt die „grüne Fee", ein Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts überaus beliebtes Getränk berühmter Maler und Schriftsteller, u.a. Oscar Wilde:
„Nach dem ersten Glas siehst Du die Dinge, wie Du wünscht, dass sie wären. Nach dem zweiten siehst Du die Dinge, wie sie nicht sind. Zum Schluss siehst Du die Dinge, wie sie wirklich sind, und dies ist das Schrecklichste auf der Welt."
Die Wirkung schrieb man dem in der Wermutpflanze enthaltenen Thujon zu, das jahrelang verboten war, mit bestimmten Grenzwerten aber wieder zugelassen ist. Natürlich gehört zu den psychoaktiven Pflanzen auch der Tabak, ursprünglich in portugiesischen Kolonien Südamerikas gekaut, getrunken, geschnupft, getrocknet und geraucht. Mit weltweiten Folgeschäden, denn durch seinen Nikotingehalt hat
„Tabak von allen Rauschmitteln das höchste Abhängigkeitspotential, höher als Heroin oder Kokain."
Auch diesen beiden Pflanzengiften widmet Kat Menschik mit knalligen Illustrationen und Jakob Hein mit ausführlich recherchierten Geschichten und Anekdoten gebührende Aufmerksamkeit, auch dem „Abessinischen Tee", besser bekannt als Kat, auch „Blume des Paradieses" genannt, konsumiert vor allem in afrikanischen und arabischen Ländern, und „ebenso fest in den Kulturen seiner Haupt-Konsumländer integriert, wie der Alkoholkonsum in der westlichen Welt."
Womit wir bei der alkoholischen Gärung wären, der wohl am weitesten verbreiteten Art, Pflanzen psychoaktiv zu machen – als Bier, Wein und Schnaps jeder Art. Das Kompendium endet schließlich in der „heimischen Hexenküche", im Gewürzregal bei Salbei, Pfeffer, Muskatnuss, Safran & Co. Ein ebenso lehrreiches wie farbenprächtiges und unterhaltsames Buch mit spannenden und kuriosen Geschichten über Pflanzen und ihre berauschende Wirkung, manchmal etwas mühsam zu lesen, weil Farben und Buchstaben sich zu einem durchaus rauschhaften Gemenge verbinden, das übrigens mit „sechs einzeln angemischten Echtfarben gedruckt" wurde. Ein Augenrausch!
(Christiane Schwalbe)
Kat Menschik, *1968 in Luckenwalde/Potsdam, freie Illustratorin, gestaltet seit 2016 die Buchreihe "Lieblingsbücher" im Galiani Verlag
Jakob Hein, *1971 in Leipzig, Psychiater und Autor zahlreicher Bücher, lebt seit 1972 in Berlin
Kat Menschiks und des Psychiaters Doctor medicinae Jakob Hein
Illustrirtes Kompendium der psychoaktiven Pflanzen
Galiani Verlag, Berlin 2022, 112 Seiten, 22 Euro
eBook 12,99 Euro
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