Barack Obama
Ein verheißenes Land
Wenn man diese umfangreiche politische Biografie des ersten Schwarzen im Amt des amerikanischen Präsidenten liest, entstehen immer wieder Bilder im Kopf - von einem charismatischen, begabten und empathischen Politiker, der die Fähigkeit besitzt, Menschen zu begeistern und von seiner Mission zu überzeugen.
Lebendig und persönlich
Es ist der offene, lebendige und humorvolle Erzählton, der dieses Buch trotz manchmal ausufernder Details und akribischer Erklärungen politischer Zusammenhänge so spannend macht. Und es sind die vielen anekdotischen Randbemerkungen, die kleinen Porträts enger Mitarbeiter, die Beschreibungen anfänglich intuitiver Impulse und ihrer rationalen Überprüfung, die aus der politischen Zeitreise ein sehr persönliches Buch machen.
Politische Zeitreise
Er schreibt lieber mit dem Stift auf gelben Blocks, läßt er zu Beginn wissen,
„weil ich finde, dass ein Computer selbst meinen gröbsten Skizzen zu viel Glanz und halb garen Gedanken den Anschein von Ordnung verleiht."
500 Seiten waren geplant, über 1000 Seiten sind es geworden – und das ist nur der erste Band, ein zweiter wird folgen. Eine ehrliche Darstellung seiner Zeit im Amt, nicht bloß ein historisches Protokoll der Schlüsselereignisse wolle er schreiben, sagt er im Vorwort und:
„Wo es möglich war, wollte ich den Lesern einen Eindruck davon vermitteln, wie es sich anfühlt, Präsident der Vereinigten Staaten zu sein.”
Dazu gehören Pathos und feierlicher Gestus in historischen Augenblicken ebenso wie die selbstkritische Analyse von übereilten oder falschen Entscheidungen und unerfüllten Plänen. Auch der Zorn (vor allem nach den für die Demokraten desaströsen Midterm-Wahlen) auf den bis zur Blockade verschärften Widerstand der Republikaner, sich parteiübergreifenden politischen Entscheidungen und Gesetzesvorlagen anzuschließen – insbesondere, wenn es um Obamas Wahlversprechen ging.
Stresstest für die Seele
Ein politischer Berater findet warnende Worte für ihn, als er sich für die Präsidentschaftskandidatur entscheidet, nennt das, was auf ihn zukommt Stresstest und ein EKG der Seele ...
„überall sind Mikrofone, und jedes Wort, das aus deinem Mund kommt, wird aufgezeichnet, verstärkt, auf die Waagschale gelegt und seziert.”
Der oft bissigen und zerstörerischen Macht der Medien steht das Engagement einer riesigen Schar von Wahlkampfhelfern in den einzelnen Bundesstaaten gegenüber, die Millionen von Spendern auch kleiner und kleinster Beträge über das Internet, die im Laufe des Wahlkampfes rasant ansteigen, die kreative und ermutigende Arbeit im Team von Menschen, die mit Leib und Seele dabei sind. Mit großer Anerkennung und Dankbarkeit für die Tausenden von freiwilligen Wahlhelfern erzählt Obama von der Kraft basisdemokratischer Bewegungen. Bei der zweijährigen Ochsentour der Vorwahlen waren ihre Sympathie und ihr bedingungsloses Engagement unerlässlich, gepaart mit den Strategien professioneller Berater und nicht zuletzt mit dem Vertrauen in die Macht von drei Worten: „Yes we can."
„Wenn man es richtig machen will, ist es ein höchst strategisches Vorhaben, das über einen langen Zeitraum langsam und ruhig vorangetrieben wird und nicht nur Zuversicht und Überzeugung, sondern auch sehr viel Geld sowie ausreichend Engagement und Unterstützung von Personen erfordert, um einen durch alle fünfzig Staaten und zwei Jahre voller Vorwahlen und Parteiversammlungen zu tragen.”
Glaube an Amerika
Mit ungebrochener Energie vertritt er als Präsident seine Ziele, allen Amerikanern eine Krankenversicherung zu ermöglichen, die sie bezahlen können, die Finanzkrise, die er von Bush geerbt hat, so in den Griff zu bekommen, dass die BürgerInnen nicht den Glauben an Staat und Demokratie verlieren, dazu der unerschütterliche Glaube an ein besseres Amerika, der Wille, seinem Land zu dienen, gegen Rassismus, Diskriminierung und für mehr Chancengleichheit zu kämpfen, Klimaschutz politisch ebenso ernst zu nehmen wie die Chance auf Bildung, zu vereinigen statt zu spalten. Außenpolitisch hat Obama massive Konflikte geerbt – u.a. die Folgen des Krieges im Irak und Afghanistan, die Bedrohung durch islamistische Terroristen, das Trauma 9/11 und die Suche nach Osama bin Laden. Die Spannungen im Nahen Osten komplizieren die Beziehungen der Vereinigten Staaten zu Israel, Obamas Bemühungen um einen stabilen Frieden scheitern immer wieder an der Hartleibigkeit der Kontrahenten Abbas und Netanjahu, aber auch an der Unbelehrbarkeit des ägyptischen Präsidenten, der an der Macht klebt, als in den nordafrikanischen Ländern die Protesbwegung des arabischen Frühlings Fahrt aufnimmt.
„Seit mindestens fünfzig Jahren hatte sich die Politik der USA im Nahen Osten einseitig darauf konzentriert, stabile Verhältnisse zu bewahren ... Nach den Anschlägen vom 11. September rückte die Bekämpfung des Terrorismus in den Mittelpunkt. Bei der Verfolgung all dieser Ziele hatten wir Autokraten zu unseren Verbündeten gemacht."
Leuchtturm in der Dunkelheit
Er spricht über Selbstzweifel und Emotionen, wenn er seine Zerrissenheit zwischen der Macht des Amtes, politischer Vernunft und Bauchgefühl beschreibt, vor allem dann, wenn es darum geht, als Oberbefehlshaber der Streitkräfte Soldaten in gefährlicher Mission loszuschicken. Aber er läßt uns auch entspannt durch den prächtigen Rosengarten des Weißen Hauses spazieren und ins lichtdurchflutete Oval Office, wo hinter einem Sims versteckte Lampen „nie ausgemacht (werden), sodass das Oval Office selbst mitten in der Nacht strahlt wie das Licht eines Leuchtturms in der Dunkelheit."
Im Zusammenhang mit seiner politischen Strategie für den Nahen Osten sagt er einmal: "Die Vereinigten Staaten sind ein Ozeandampfer, kein Schnellboot." Dieser Satz gilt für viele Entscheidungen, nicht zuletzt für „Obamacare", die Krankenversicherung für alle BürgerInnen der Vereinigten Staaten, die sein Vermächtnis wird. Wie übrigens viele andere politische Beschlüsse, die im "großen" Tagesgeschäft der amerikanischen Administration nicht unbedingt schlagzeilenträchtig, wohl aber wichtig sind. Das Alltagsgeschäft schildert Obama ebenso anschaulich wie Möglichkeiten und Grenzen der Macht.
“Ein verheißenes Land" ist ein fesselnder Rückblick auf die turbulente Amtszeit des ersten schwarzen Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, vielfältig reflektiert und im tiefen Glauben an die Kraft der Demokratie geschrieben:
„ ... denn jeder Tag rief uns aufs Neue ins Gedächtnis, wie privilegiert wir waren, dass wir daran mitwirken konnten, Geschichte zu schreiben."
(Christiane Schwalbe)
Barack Obama, *1961 in Honolulu/Hawaii, Jurist, 2009 bis 2017 der 44. Präsident der Vereinigten Staaten, lebt in Washington
Barack Obama ”Ein verheißenes Land”
aus dem amerikanischen Englisch von Sylvia Bieker, Harriet Fricke, Stephan Gebauer, Stephan Kleiner, Elke Link, Thorsten Schmidt und Henriette Zeltner-Shane
Penguin Verlag 2020, 1024 Seiten mit 32 Seiten Farbbildteil, 42 Euro
eBook 32,99 Euro, Audio-CD 27,19 Euro