Hanns Zischler
Das Mädchen mit den Orangenpapieren
Elsa kommt aus Dresden, im fernen Bayern fällt ihr Dialekt unangenehm auf, obendrein hat sie ein Hüftleiden und hinkt. Keine guten Voraussetzungen, um sich in der fremden Umgebung einzuleben, in die sie mit ihrem Vater Mitte der 50er Jahre gekommen ist.
"In den sieben Monaten, die Elsa mit ihrem Vater hier in Marstein lebt, hat sie sich an den Anblick der Berge nicht gewöhnen können. Manchmal will sie den Blick gar nicht heben, so erdrückend ist die Maßlosigkeit der dunklen Felsen und Klüfte."
Außenseiterinnen
Elsas Mutter ist vor einem Jahr gestorben, der Vater muss tagsüber arbeiten, sie ist ganz sich selbst überlassen. Zum Glück gibt es den Pauli, "der über ihren Dialekt nicht gewitzelt hat, als sie neu in die Klasse kam". Elsa ist eine "Externe" im Internat, noch ein Handicap, aber später kommt Saskia in die Klasse, ein Mädchen aus England, mit dem sie sich anfreundet. Außenseiterinnen sind beide. Kapuste, der Lehrer, erkennt die Bedürftigkeit Elsas, die ihre Traurigkeit manchmal nur schwer unterdrücken kann.
Duftig und zart
Aber sie hat einen Schatz, der sie tröstet: Duftig und zart sind die Orangenpapiere, die ihr die Obsthändlerin geschenkt hat. "Sie sind so leicht, dass schon ein Lufthauch, ein Atemzug sie in die Höhe fliegen lässt … ihr wird fast schwindlig von den vielen Göttinnen, Landschaften, Tieren, Pflanzen, Helden und Initialen – und immer wieder "Sicilia"! Dieses ganze Papiertheater nur, um die Früchte heil aus Italien und Spanien hierherzubringen!"
Sehr poetisch
Eine zarte, leise Geschichte über Verlust und Einsamkeit, das Ende der Kindheit und eine erste Liebe, über Freundschaft und die Suche nach Geborgenheit - fein beobachtet, melancholisch, einfühlsam und sehr poetisch erzählt.
(Christiane Schwalbe)
Hanns Zischler * 1947, Schauspieler und Publizist, lebt in Berlin
Hanns Zischler "Das Mädchen mit den Orangenpapieren"
Galiani Berlin 2014, 112 Seiten, 16,99 Euro
eBook 14,99 Euro
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