Jan-Philipp Sendker
Das Geheimnis des alten Mönches
Märchen und Fabeln aus Burma
Burma, heute Myanmar, war lange Zeit nur ein Touristenziel für Neugierige, die hinter die Kulissen der Militärdiktatur schauen wollten und ein bitterarmes Land in der Isolation vorfanden, das noch tief in der zivilisatorischen Vergangenheit lebte.
Fünf Kühe für den Heiratskandidaten
Man fuhr mit Ochsenkarren oder ging zu Fuß, es gab kaum Autos, höchstens in der Hauptstadt Yangon, ständig fiel der Strom aus, die Menschen saßen bei Kerzenlicht beisammen. So hat es auch der Journalist und Schriftsteller Jan-Philipp Sendker erlebt, der erst als Stern-Korrespondent und später als Autor das Land bereist und intensiv kennengelernt hat. Sogar als Heiratskandidat wurde er auserwählt, eine Frau bot fünf Kühe für ihn, hoffte angesichts seines Aussehens, dass er "länger halten würde". Sendker erlebte die zentrale Bedeutung der Familie in Burma, niemand lebt hier allein, er erfährt von der Macht der Astrologen und vom Glauben an die Wiedergeburt, er wanderte durch Dörfer und hörte den Erzählungen über Mönche, Klöster und Nats zu, Geistern, denen Opfer gebracht werden, um sie gütig zu stimmen.
Kein Land der Schlagzeilen
Von 1962 bis 2011 war Burma eine Militärdiktatur, Aufstände wurden blutig niedergeschlagen, die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi verbrachte fast 15 Jahre in Hausarrest, wurde auch dann nicht freigelassen, als man ihr 1991 den Friedensnobelpreis verlieh. Burma war kein Land der Schlagzeilen, wurde erst dann bekannter, als die Militärdiktatur Wahlen zuließ und Suu Kyi freigelassen wurde. Dass sie nichts gegen die Flucht der religiös verfolgten Rohingyia unternahm, wird ihr bis heute stark angekreidet.
Glaube und Aberglaube
Jan-Philipp Sendker hat auch das neue Burma kennengelernt, ist aber bis heute fasziniert vom tief verwurzelten buddhistischen Denken seiner Menschen. Während der Recherchen für seine Bücher "Das Herzenhören" und "Herzenstimmen" wurden ihm immer wieder auch Märchen erzählt, Geschichten, die tief zurück führen in die Kultur der vielen Volksstämme dieses Landes, in ihre Mythen, Sagen und Geisterwelten, in Glaube und Aberglaube:
"Für die meisten Menschen in Burma ist es ... eine absolute Selbstverständlichkeit, dass die Sterne Einfluss auf unser Leben haben, dass es Daten und Tage gibt, die Glück bringen, und andere, in denen das Unheil zu Hause ist."
Universelle Themen
Für sein Buch "Das Geheimnis des alten Mönches" hat er den Schatz der Märchen gehoben, erzählt von Königen und Kaufleuten, Bauern und Mönchen, wilden Tieren und freundlichen Schutzgeistern. Da wird die Gier des Menschen nach Gold und Reichtum bestraft, Geister können sich in Tiere und Menschen verwandeln, sich unglücklich verlieben und untreuen Prinzen eine Lektion erteilen und weise Richter entlarven Lügenbolde:
"Die jahrhundertealten Geschichten in diesem Buch handeln von universellen menschlichen Themen: Liebe, Glaube, Gier, Vertrauen, Verrat, Vergebung. Sie erlauben uns einen Blick in eine fremde, manchmal auch exotische Gedanken- und Glaubenswelt, die uns wenige Seiten später in ihrer Menschlichkeit auch wieder auf wunderbare Weise ganz vertraut ist."
Seele eines Volkes
Vor allem aber erlauben sie bei aller, nicht nur schönen Veränderung des Landes, die Kapitalismus und westliche Welt nach Burma getragen hat, einen Blick auf die Wurzeln der Kultur - ein alter Antiquitätenhändler schenkt ihm ein Märchenbuch mit den Worten:
"Worauf es ankommt, liegt viel tiefer. Und die Seele eines Volkes, wie sie in den Märchen beschrieben wird, ändert sich nicht so schnell."
(Christiane Schwalbe)
Jan-Philipp Sendker, *1960 in Hamburg, 1990 bis 1999 Amerika- und Asien-Korrespondent des "Stern", Autor mehrerer Bestseller, lebt in Potsdam.
Jan-Philipp Sendker "Das Geheimnis des alten Mönches"
Märchen und Fabeln aus Burma
gemeinsam mit Lorie Karnath und Jonathan Sendker
Blessing 2017, 288 Seiten, 20 Euro
eBook 15,99 Euro, AudioCD gekürzt 13,95 Euro
Weitere Buchtipps zu Philip Sendker
"Das Gedächtnis des Herzens"
"Am anderen Ende der Nacht"