James Salter
Alles, was ist
James Salter ist 88 Jahre alt (2013) und hat seit mehr als dreißig Jahren keinen Roman mehr veröffentlicht. Hierzulande ist er eher wenig bekannt, obgleich er seit 1998 mit der deutschen Ausgabe von "Lichtjahre" auch bei uns als außergewöhnlicher Erzähler gilt, dessen kühl beobachtete Geschichten über die Unzulänglichkeiten von Männern und Frauen unter die Haut gehen.
Rückblick
Salter studierte an der berühmten Militärakademie West Point und war 12 Jahre lang Kampfflieger bei der US Air Force. Erst dann begann er zu schreiben. In "Alles, was ist" blickt er zurück, auf die Zeit vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts. Wir begleiten Philip Bowman, der als Leutnant aus dem Krieg zurückkehrt, Tod und Zerstörung im Rücken, mit klarem Blick nach vorn sich einen Platz in Harvard ertrotzt und schließlich Verlagslektor wird, der sich um seine Autoren auch wirklich kümmert.
Mittelmaß
Dieser Bowman lebt männliche Zielstrebigkeit buchstäblich in jeder Beziehung, aber ohne sich wirklich zu engagieren. Er bleibt politisch desinteressiert, trotz einschneidender Ereignisse in der amerikanischen Politik. Er ist eher ein Mann des Mittelmaßes, der es in die höheren Kreise geschafft hat und sich genießerisch treiben lässt. Ihn stachelt kein Ehrgeiz an, er lässt die Dinge geschehen, rutscht von einer Beziehung in die nächste, stets von neuem glaubend, das sei nun die richtige Frau für ihn. Und dann war es wieder nur Sex. Wir nehmen teil an den gesellschaftlichen Veränderungen Amerikas, die sich im illustren New York und seiner glamourösen intellektuellen Szene widerspiegeln; wir erfahren den Wechsel in eine neue Generation, die den Krieg nicht mehr selbst erlebt hat.
Bilanz
Salter gilt als moderner Klassiker der amerikanischen Literatur, berühmte Kollegen wie Richard Ford, Saul Bellow oder John Irving bewundern seine Prosa. Er ist ein glänzender Beobachter, detailgenau und souverän, der die Befindlichkeiten seiner Figuren mit großer Intensität und erzählerischer Kraft beschreibt. Aus der individuellen Perspektive des Philip Bowman, der manchmal wie betäubt durchs Leben geht, als könne ihn seit Kriegstagen nichts mehr wirklich berühren, zieht Salter eine gesellschaftliche und zugleich individuelle Bilanz – leise, wehmütig und doch schonungslos. Die Dinge des Lebens vergehen und je älter man wird, desto leichter lässt man sie los:
Alles ein Traum
"Alles, was ist" entwickelt einen magischen Sog, charakteristisch für alle Romane Salters, dem man sich nicht entziehen kann: "Irgendwann wird einem klar, dass alles ein Traum ist und nur geschriebene Dinge die Möglichkeit haben, wirklich zu sein."
(Christiane Schwalbe)
James Salter *1925 in Washington D.C. geboren, lebt in New York
James Salter "Alles, was ist"
Roman, übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Beatrice Howeg
Berlin Verlag 2013, 384 Seiten, 22.90 Euro
eBook 16,99 Euro
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