James Salter
Jäger
Jagdflieger müssen Helden sein, tollkühn und tapfer, und wenn sie fünf Abschüsse - "Kills" - haben, dann sind sie ein Ass, das militärische Ehren verdient. Aber der Kampf in der Luft ist anders, man muss sich mit Haut und Haaren darauf einlassen: "Kampfpiloten kämpfen nicht, sie morden."
Heldentum
"Himmel ist der göttliche Ort. Wenn man allein dort oben fliegt, kann es einem alles bedeuten. … Man ist in einer Sache gut. Man widmet sich ihr, und nach einer Weile kommt der Stolz, schlichter, unheilvoller Stolz. Man ist endlich glücklich. Man macht etwas gut ... Und wenn man fünf Flugzeuge abschießt, gehört man einer Gruppe an, einem Kern von Helden. Nichts anderes bringt einen dahin."
Stunden wie diese
So erklärt es Cleve, der Kampfpilot, an einem Urlaubstag in Tokio einer jungen Frau, mit der er für einen kurzen Moment den Krieg vergisst:
"Er hatte fast vergessen, wie es war, Stunden wie diese zu verleben, die Tage nicht mehr zu zählen, die Einsätze, die Abschüsse."
Aber dann holt ihn die Wirklichkeit zurück nach Korea, wo ihm ein jugendlicher und überaus ehrgeiziger Konkurrent in waghalsigen Aktionen buchstäblich den Rang abläuft und sich eine gegnerische Maschine nach der anderen "holt", wie das im Fliegerjargon heißt. Treffer müssen immer von einem zweiten Piloten bezeugt werden, geflogen wird paarweise, aber
"man lebte und starb allein. … Es gab andere, die mit einem flogen, in heraldischen Mustern. Sie kämpften an deiner Seite, … aber letztlich waren sie keine Hilfe. Man war allein."
Atemberaubend
James Salter, selbst 12 Jahre lang Kampfflieger, beschreibt im Vorwort diese Regeln der Kampfformationen. Er hat "Jäger" 1957 veröffentlicht, danach quittierte er den Dienst bei der Luftwaffe. Es ist sein Erstling, der erst jetzt auf Deutsch erschienen ist. Und es ist ein wahrhaft atemberaubender Roman, der in der Schwebe zwischen Kriegsrealität und Heldentum einen brutalen Konkurrenzkampf beschreibt, in den Cleve, Schwarmführer eines Elitegeschwaders in Korea, nicht so recht hineinpassen will. Er hat bisher nur einen Abschuss geschafft, träumt davon, Casey Jones, den legendären Piloten des Kriegsgegners zu "holen". Nach dem Korea-Einsatz will er aufhören:
"In einer Staffel zu sein war wie der Abriss eines ganzen Lebens. Man war ein Kind, wenn man eintrat. Es gab endlose Möglichkeiten, und alles war neu; … und dann plötzlich war man alt, zwischen neuen Gesichtern und Beziehungen, die man nicht verstand, … bis man sich schließlich in ihrer Mitte nicht mehr willkommen fühlte;"
Fast unwirklich
Das Grauen des (Korea)krieges wird hier nicht beschrieben, der Tod bleibt seltsam abstrakt, und es ist eine merkwürdig schwerelose, fast unwirkliche Atmosphäre, in der sich die Handlung abspielt - mit all' den Typen, die so ein Krieg hervorbringt: Helden und Verlierer, Zyniker und Idealisten, kaltblütige Draufgänger und Moralisten, Gute und Böse.
Geschlossene Welt
Dieser Roman fasziniert in der Klarheit des Stils, die alle Romane Salters auszeichnet, in der Geradlinigkeit der Dramaturgie und in der poetischen Schönheit seiner Sprache. Salter verherrlicht den Krieg nicht, er beschreibt eine in sich geschlossene Männerwelt, in der Rituale von Tapferkeit, Pflicht und Gehorsam und die damit verbundene tiefe Einsamkeit schmerzhaft genau nachgezeichnet werden. Das ist unglaublich spannend zu lesen.
(Christiane Schwalbe)
James Salter "Jäger"
Roman, aus dem Amerikanischen übersetzt von Beatrice Howeg
Berlin Verlag 2014, 304 Seiten, 19.99 Euro
eBook 15,99 Euro
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