Daniel Kehlmann
F
Finanzkrise, Fälscherskandal, Verfall kirchlicher Moralvorstellungen – Daniel Kehlmann hat in seinem neuen Roman verarbeitet, was die Gesellschaft dieser Republik erschüttert und empört hat. Zum Auftakt greift er in die esoterische Trickkiste und schickt seine vier Protagonisten – Frauen spielen so gut wie keine Rolle – in die Hypnoseshow vom "Großen Lindemann".
Macht der Suggestion
Der holt erst den 13jährigen Iwan auf die Bühne und dann Arthur, den Vater und erfolglosen, weil wenig ehrgeizigen Schriftsteller. Beide glauben nicht an Lindemanns Hokuspokus und erliegen doch der Suggestion des Hypnotiseurs. Arthur macht sich wenig später aus dem Staub und lässt seine Familie im Stich, um endlich zu schreiben. Einen Bestseller, der Leser sogar in den Selbstmord treibt. Iwan weiß auf der Bühne seinen Namen nicht mehr und wird ihn auch später vergessen - indirekt, wenn er sein Fälschungsimperium aufgebaut und seinen Geliebten zum Star der Kunstszene gemacht hat. Bis er eines Tages drei Jugendlichen in die Hände fällt und gänzlich von der Bildfläche verschwindet.
Kriminelle Machenschaften
Sein Zwillingsbruder Eric ist Anlageberater, abhängig von Tabletten und dem Geld seiner Kunden. Ihnen gaukelt er gewinnbringende Transaktionen auch dann noch vor, als die Finanzkrise vor der Tür steht und seine kriminellen Machenschaften aufzufliegen drohen. Schließlich ist da noch der dicke Martin, dritter Sohn mit einer anderen Frau, der am Rockzipfel der Mutter hängt, katholischer Priester werden will, sich aber nur halbherzig auf diesen Weg begibt. Ihm fehlt der Glaube. Dafür hat er umso mehr Appetit und frönt lieber dem Spiel mit dem Zauberwürfel Rubik Cube.
Lug und Betrug
Drei Brüder, drei Betrüger und drei faszinierende Geschichten, die Kehlmann zu kriminalistischen Miniaturen formt. Sie verknüpfen sich durch verschiedene Handlungsstränge und Figuren so geschickt, dass man als Leser – irritiert - schon mal zurückblättern möchte, um sich zu vergewissern, ob dieser oder jener Typ bereits aufgetreten ist. Auch der "Große Lindemann" schaut immer wieder mal vorbei - alternd, verarmt und gänzlich desillusioniert.
Kunstvolles Spiel
Ein glänzend geschriebener Roman, klug und unterhaltsam, der mit Realität und Illusion, Wahrheit und Lüge kunstvoll jongliert, doppelbödig und ironisch eine Welt der Täuschungen und Enttäuschungen vorführt, in der einzig das Streben nach Erfolg, Macht und Geld von Bedeutung ist. Eine Welt der Lügen und verpfuschten Chancen, in der menschliche Existenzen schicksalhaft zerstört werden, und selbst ein Kirchenvertreter Kuchen und Schokoriegel der christlichen Überzeugungsarbeit vorzieht. F wie Fatum eben; oder F wie Familie, die hier komplett versagt; F wie Fälschung und tiefer Fall; F wie Fiktion, denn davon vor allem leben spannende Romane.
(Christiane Schwalbe)
Daniel Kehlmann "F"
Roman, Rowohlt Verlag 2013, 384 Seiten, 22,95 Euro
eBook 19,99 Euro
Weiterer Buchtipp zu Daniel Kehlmann
"Ruhm"