Wallace Stroby
Kalter Schuss ins Herz
Crissa Stone ist ein Profi, gut vernetzt, bestens vorbereitet und planvoll. Ihr Gewerbe: Diebstahl großer Summen. Ihre Ziele erkennt man erst nach und nach. Ihre kleine Tochter hat sie ihrer Kusine überlassen und sieht sie nur von weitem, unterstützt sie aber mit Geld.
Neuer Coup
Vor allem ist sie fest entschlossen, Wayne, den Gefährten, der ihr Selbstbewusstsein und Geschick in ihrem "Beruf" beigebracht hat, mit teuren Anwälten aus dem Gefängnis zu befreien, und dass er skeptisch ist, hält sie keineswegs von der Planung eines neuen, kurzfristig geplanten Coups ab.
"Wenn ich hier rauskomme, nütze ich niemandem mehr viel. Verschwende dein Leben nicht damit, auf mich zu warten, Rote. Das würde mir mehr wehtun als alles andere."
Ohne Selbstmitleid
Die Sehnsucht nach Wayne und dem verlorenen Kind verleiht Wallace Strobys tougher, rothaariger Heldin einen melancholischen Zug. Sie ist eine von den amerikanischen Abenteurern, die kaum eine Chance haben, aber alles nutzen, um ihrem Leben eine bessere Wendung zu geben, stoisch, zäh und ohne jedes Selbstmitleid. Getötet hat sie noch nie. Die "Rote", wie sie ihre wenigen Freunde nennen, ist hocheffektiv, nachdenklich und schätzt ein kultiviertes Ambiente – und fragt sich im Gespräch mit ihrem Lieblings-Mittäter mit dem passenden Namen Chance, ob es das alles wert sei.
"Was?" "Das Geld. Was wir kriegen, für das, was wir tun, was wir riskieren. Ob es sich ausgleicht. Oder nicht." "Besser als in der Fabrik zu arbeiten," sagte er. "Habe ich auch gemacht. Du schaust deinem Leben jeden Tag zu, wie es verpufft. Und an den Tagen, an denen du nicht arbeitest, bist du sowieso verdammt müde, um es zu genießen."
Alles geht schief
Der neue Auftrag geht dramatisch schief: Beim Ausnehmen einer Pokerrunde erschießt der dritte Mann neben Crissa und Chance den Schwiegersohn des Gangsterbosses Tino. Eddie der Heilige wird auf Crissa angesetzt, ein soeben entlassener Killer, der foltert und mordet, ohne jeden Skrupel und mit der Durchschlagskraft einer Naturgewalt. Wird die Diebin den ethischen Grundsätzen ihres mit handwerklicher Sorgfalt ausgeübten "Berufs" treu bleiben können? "Man hat nicht immer die Wahl." "Da liegst du falsch", sagte sie. "Man hat sie."
Starke Figur
Damit täuscht sie sich und lernt, was Donald E.Westlakes alias Richard Starks Outlaw "Parker" längst wusste, eines der erklärten Vorbilder von Wallace Stroby, Jahrgang 1960, der über sie sagt:
"Ich denke, französischer Existentialismus und Parker-Stoizismus sind unauflöslich miteinander verbunden. Entfremdung gehört auch dazu … Ausmachen musst du das alles mit dir alleine. Und auch alleine mit Enttäuschungen fertig werden. Crissa wird nichts geschenkt, sie muss es sich holen. Auf eigene Gefahr."
Stroby hat mit seiner Hommage an die Meister des Noir ein Buch geschrieben, das er "lean and mean" nennt und mit Crissa Stone eine starke, glaubwürdige Figur auf den Weg geschickt, - ein Treffer ins Krimileserherz! Hoffentlich bleibt sie uns noch lang erhalten.
(Lore Kleinert)
Wallace Stroby *1960 in New Jersey/USA, Polizeireporter einer Zeitung und Krimiautor
Wallace Stroby "Kalter Schuss ins Herz"
"Cold shot to the heart" Übersetzung und Nachwort von Alf Meyer
Pendragon 2015, 352 Seiten, 15,99 Euro
eBook 13,99 Euro
Weitere Buchtipp zu Wallace Stroby
"Zum Greifen nah"
"Fast ein guter Plan"