Rachel Cusk
Danach
Über Ehe und Trennung
Rachel Cusk schreibt über ihre gescheiterte Ehe gnadenlos offen, bitter und enttäuscht. Dabei lief es zunächst ganz nach ihren Vorstellungen: Sie widmet sich weiterhin dem Schreiben, er gibt seinen Beruf auf und bleibt zuhause, um Haushalt und Kinder zu versorgen.
Nichts hat Bestand
Für dieses Buch ist die Autorin in England heftig angefeindet worden, war "meistgehasste Schriftstellerin". Auch "Lebenswerk - über das Mutterwerden" galt als skandalös, weil sie allzu kompromisslos Familie und Muttersein in Frage stellen. Cusk liebt Tabubrüche, Kompromiss hat bei ihr keinen Platz:
"Binnen weniger Wochen machten wir alles zunichte, was bis zum Augenblick der Trennung Bestand hatte. Wir machten die Geschichte selbst zunichte, und am Ende gab es nichts mehr zu zerlegen außer den Kindern, was einen naturwissenschaftlichen Eingriff erfordert hätte."
Jegliche Erinnerung verbietet sie sich, es gibt keinen Blick in Fotoalben oder Kunstbände, keine Musik und keine Gedichte, die sie gemeinsam mochten. Der Anblick glücklicher Familien im Park schmerzt sie, sie grübelt, isst nicht, leidet unter der Vorstellung, in allen Rollen perfekt sein zu müssen, findet kaum noch Entspannung, geht zum Psychoanalytiker, versucht, sich selbst (wieder)zufinden.
Männliche Ansprüche
Rachel Cusks Analyse befasst sich nicht mit den guten Seiten ihrer Ehe, sie schaut nicht zurück, sondern widmet sich ausschließlich der Zeit nach der Trennung, und dazu gehören in erster Linie ihre Töchter. Ihr Mann, "überzeugt, in unserer Ehe die Rolle der Frau gespielt zu haben", verlangt – nach Ansicht ihrer Anwältin zu Recht – nicht nur die Hälfte aller materiellen Güter, sondern er will auch die Kinder zur Hälfte. Und sie pocht auf den selbstverständlichen biologischen Anspruch als Mutter: "Es sind meine Kinder. Sie gehören zu mir."
Zwei Zuhause
"Danach" ist eine autobiografische, ebenso intellektuelle wie destruktive Auseinandersetzung mit der eigenen und mit der Institution Ehe und mit gesellschaftlich gesetzten Rollenerwartungen, die bei Umkehrung eben nicht reibungslos funktionieren – was sie erst danach erkennt.
"Ich musste mich zurücknehmen und mich aus der Küche und von meinen Kindern fernhalten, nicht nur, um der Weiblickeit meines Mannes Raum zu lassen, sondern um meine männlichen Ansprüche zu besänftigen. Der älteste Kniff aus der Trickkiste des Sexismus ist das weibliche Bedürfnis, Kontrolle über die Kinder auszuüben." Die, wie alle Scheidungskinder, nach der Trennung ihrer Eltern am meisten leiden – eine ihrer Töchter sagt: "Ich habe zwei Zuhause und ich habe keins."
Gefährliche Hilfe
Cusk rührt an die Kernfragen des Feminismus, wägt Sicherheit und Freiheit und die Suche nach weiblicher Identität gegeneinaner ab, bemüht griechische Tragödie, christliche Grundwerte und Heilige Familie, um Erkenntnis zu finden – sie tut es allein und angestrengt:
"Er half mir. Ich war die unterteilte moderne Frau, die alles hat, und er half mir dabei. Ich wollte keine Hilfe, ich wollte Gleichberechtigung ... Hilfe ist gefährlich, weil sie jenseits der menschlichen Ökonomie geschieht; ihr einziger Lohn ist Dankbarkeit."
Rachel Cusk legt die Ehe als gesellschaftliche Institution auf den Seziertisch, betrachtet sie unter der feministischen Lupe und quält sich mit der nahezu zwanghaften Suche nach Erklärungsmustern. Warum genau diese Ehe zerbrach, verrät sie nicht. Was wir lesen, ist ein Abhandlung nicht nur über das in Einzelteile zerfallene Puzzle ihrer Ehe, sondern auch ihrer Gedankenwelt, der sie selbst nicht mehr traut. Sie findet symbolträchtige Bilder, flüchtet in Metaphern, beschreibt sprachlich eindrucksvoll ein Gefühlschaos voller Zweifel und Selbstzweifel. Widersprüchlich, verwirrend, manchmal nervig, aber spannend.
(Christiane Schwalbe)
Rachel Cusk, *1967 in Kanada, vielfach ausgezeichnete englische Autorin, die seit ihrer Jugend in England lebt
Rachel Cusk "Danach"
Über Ehe und Trennung
Aus dem Englischen von Eva Bonné
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020, 187 Seiten, 22 Euro
eBook 18,99 Euro
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