Maja Lunde
Die Geschichte der Bienen
Ein Roman über Bienen, ein Krimi, eine Geschichte der Imkerei und ein Blick in die Zukunft – das alles ist "Die Geschichte der Bienen", in der die norwegische Autorin Maja Lunde sich überaus spannend mit dem Bienensterben und seinen Folgen auseinandersetzt.
Nicht nur Honig
"Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.“ Albert Einstein wusste, das Bienen weitaus mehr sind als Honig-Produzenten.
Wenn Menschen die Arbeit des Bestäubens übernehmen müssen, stehen schwere Zeiten bevor. In China wird das bereits praktiziert und Maja Lunde schickt uns mitten hinein in diese düstere Zukunftsvision. 2098 gibt es keine Bienen mehr:
"Wie verwachsene Vögel balancierten wir auf unseren Ästen, das Plastikgefäß in der einen Hand, den Federpinsel in der anderen. … Das kleine Plastikgefäß war gefüllt mit dem luftigen, leichten Gold der Pollen, das zu beginn des Tages exakt abgewogen und an uns verteilt wurde. … nahezu schwerelos versuchte ich, unsichtbar kleine Mengen zu entnehmen und in den Bäumen zu verteilen. Jede einzelne Blüte sollte mit dem kleinen Pinsel bestäubt werden, der aus eigens zu diesem Zweck erforschten Hühnerfedern hergestellt worden war."
Zu Hunderten hängen sie in den Bäumen, um diese Knochenarbeit zu verrichten. Von Aufsehern bewacht, ziehen sie als Zwangsarbeiter von Feld zu Feld. Kinder sind besonders gut geeignet, ihre Hände sind klein und zart.
"Wir müssten alle arbeiten, lautete die Parole, um uns zu ernähren, damit die Nahrung angebaut werden könne, von der wir lebten. … Denn wer brauche schon Bildung, wenn die Kornvorräte zur Neige gingen?"
Revolutionäre Erfindung
Das ist die eine Geschichte, erzählt von Tao, einer wissbegierigen und bildungshungrigen Bestäuberin. Ihr Sohn wird eines Tages sehr krank. Ein zweite Geschichte führt uns in die Vergangenheit, in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als der Wissenschaftler und Samenhändler William sich 1852 endlich entscheidet, seine Depression zu bekämpfen und sein Krankenlager verlässt, um eine revolutionäre Erfindung zu machen: Einen ganz besonderen, artgerechten Bienenstock. Leider kam ihm in Amerika ein Erfinder zuvor. Die dritte Geschichte spielt 2007 in Ohio, wo endlos weite Felder in großem Stil von Bienen bestäubt werden: Die Imker ziehen mit ihren Bienenstöcken über Land. Das weckt Assoziationen, denn diese Bilder kennt man aus dem Film "More than Honey". Imker George erlebt das große Bienensterben "Colony Collapse Disorder", das ihm die Basis seiner Existenz entzieht:
"Alle, die sich mit Bienen auskannten, wussten, dass man mit Honig eigentlich nicht reich werden konnte … Das große Geld lag in der Bestäubung, denn ohne die Bienen war die Landwirtschaft aufgeschmissen. Meilen von blühenden Mandelbäumen oder Blaubeersträuchern waren unbrauchbar, wenn die Bienen die Pollen nicht von einer Blüte zur anderen trugen. Die Bienen konnten mehrere Kilometer am Tag bewältigen, viele tausend Blüten."
Drei Zeitebenen
Maja Lunde verzahnt die drei Erzählstränge kunstvoll miteinander, es sind zugleich aufrüttelnde Familiengeschichten, in denen Söhne ihren Vätern nicht mehr folgen, weil sie eigene Vorstellungen von ihrem Leben haben. Als Leser springt man in drei Zeitebenen hin und her, erlebt, wie die Chinesin Tao auf der Suche nach ihrem Sohn in einer menschenleeren Geisterstadt herumirrt. Die Bienen sind tot, also stirbt auch der Mensch. William findet in seiner klugen Tochter eine Hüterin seiner Erfindung, George hofft auf seinen Sohn als Nachfolger im Imkergeschäft.
"Die Geschichte der Bienen" ist nicht nur spannend, der gut recherchierte Roman hält uns auch vor Augen, wie sehr wir selbst schuld sind, wenn die Bienen sterben.
Eine rücksichtslose Ausbeutung unserer Ressourcen, profitorientierter Missbrauch von Pestiziden und anderer Umweltgifte, Klimawandel und Monokulturen nehmen den Bienen ihren Lebensraum und führen in eine Zukunft, deren Schreckensszenario uns Maja Lunde hautnah und aktuell vorführt.
(Christiane Schwalbe)
Maja Lunde, *1975 in Oslo, Norwegen, Drehbuch-, Kinder- und Jugendbuchautorin
Maja Lunde "Die Geschichte der Bienen"
"Bienes historie" aus dem Norwegischen übersetzt von Ursel Allenstein
Roman, btb Verlag 2017, 512 Seiten, 20 Euro
eBook 15,99 Euro, Hörbuch 23,99 Euro
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