Hanns-Josef Ortheil
Der Typ ist da
Der Typ ist da – steht vor der Haustür und wartet. Matteo aus Venedig, den Mia spontan nach Köln eingeladen hatte, als sie in Venedig studierte. Aber dass er es ernst nehmen würde! Er zeigt ihr den zerknitterten Zettel von damals, und sie weiß: Sie kann ihn nicht einfach wegschicken.
Italienisch inspiriert
Das Problem: Sie lebt mit zwei Frauen in einer WG und da gilt Übernachtungsverbot für Männer. Aber Matteo gefällt schnell allen dreien, denn er macht sich nicht nur nützlich, sondern hört zu, ist extrem aufmerksam, ruhig, höflich, unaufdringlich und hilfsbereit. Seine von italienischer Lebensart inspirierten Ideen helfen den drei Frauen schnell, sich aus ihrem eingefahrenen Alltagstrott zu befreien. Xenia will ihn in ihrem Frühstückscafé engagieren, Mia, die Kunststudentin, plant einen Dokumentarfilm mit ihm in der Hauptrolle, Lisa schließlich, die nur in Büchern lebt, lockt ihn in ihre Buchhandlung. Und als schließlich der betrübte Vater von Mia auftaucht, ein emeritierter Kunstgeschichtsprofessor, den seit dem Tod seiner Frau nichts mehr interessiert, findet er in Matteo einen anregenden und interessierten Gesprächspartner.
Ein wahrer Engel
Kurzum: Matteo ist ein wahrer Engel – und dem Himmel fühlt er sich auch sonst verbunden. Von Beruf Restaurator, sitzt er vor und im Kölner Dom und zeichnet Madonnen und Heilige, die er mithilfe eines kleinen Fernglases genau studiert. Und er ist ein Einzelgänger:
"Wenn man nicht raucht, keinen Alkohol trinkt, Partys nicht mag, sich aber für alte Gemälde, Gebäude und sogar für Kirchen interessiert (ist er vielleicht sogar "ein gläubiger Mensch"), hat man es mit Gleichaltrigen nicht leicht."
Wie ein Pilger
Er bringt das Leben der drei Frauen ziemlich durcheinander – nach und nach begeben sie sich in einen Konkurrenzkampf um den anfangs ungeliebten Gast. Er strahlt Sanftmut und Ruhe aus, wirkt fast wie ein Heiliger, der sich da plötzlich ins Leben der Kölnerinnen schleicht. Und selbst so viele Probleme hinter sich zu lassen versucht: Den Tod seines Vaters, seine unsichere Zukunft, die Unterstützung von Mutter und Schwester in Venedig. Aber davon wissen die Frauen nichts:
"Einen wie Matteo hat sie noch nicht kennengelernt. Manchmal denkt sie, er habe etwas von einer mittelalterlichen Erscheinung. Als wäre er ein Pilger aus lange zurückliegenden Jahrhunderten, der vor allem wegen des Dreikönigsschreins nach Köln gekommen ist. Um in seiner Nähe Kerzen anzuzünden und sich den Pilgerstempel ins Pilgerbuch abzuholen – und um in den freien Pilgerstunden außerhalb von Gebet und Heiligenverehrung Gutes zu tun."
Aus der Zeit gefallen
Ein Roman, der aus der Zeit gefallen ist und irgendwie künstlich anmutet, als sei er in einem Seminar für Kreatives Schreiben entstanden – Ortheil ist Professor für Kreatives Schreiben an der Universität Hildesheim. Wer ihn als Autor kennt und schätzt, der wird ihm diese mit Bedeutung aufgeladene Geschichte verzeihen. Wer ihn kennenlernen will, sollte nicht unbedingt mit diesem Buch anfangen.
(Christiane Schwalbe)
Hanns-Josef Ortheil *1951 in Köln, deutscher Schriftsteller und Professor für Literatur
Hanns-Josef Ortheil "Der Typ ist da"
Roman, Kiepenheuer & Witsch 2017, 320 Seiten, 20 Euro
eBook 16,99 Euro
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