Hanns-Josef Ortheil
Was ich liebe - und was nicht
Er liebt die Musik, das Reisen, gutes Essen und einen guten Wein. Den "krachenden Biss eines Menschen" in einen Apfel kann er nicht ertragen, da sucht er eilig das Weite. Eine kleine Flasche Champagner vor einer Lesung, bei der dem Schriftsteller nichts anderes als Tisch, Stuhl und ein Glas Wasser genehmigt werden, wäre nicht zu verachten.
Das Leben genießen
Hanns-Josef Ortheil ist Mann, der das Leben genießt und dem Leser schöne Anregungen gibt, es ihm doch gleichzutun. Solche Überlegungen stellen sich ganz zwangsläufig schon deshalb ein, weil Ortheil seine Gedanken und Gefühle bei Handlungen und Beschäftigungen beschreibt, die wir selbst – mehr oder weniger – auch jeden Tag tun: Essen, Reisen, Fernsehen, Sport, Wohnen, Kunst und Philosophieren. So entsteht eine Mischung aus heiteren Bekenntnissen und nachdenklichen Essays, in denen er Einblicke in ein bislang erfülltes Leben gewährt.
Äpfel und Birnen
Ortheil telefoniert nicht gern, hasst Frühstücksbüffets, findet Opernhäuser generell zu klein für die Aufführung von Opern, die viel besser im Freien zu spielen sind. Er geht am liebsten allein ins Kino (und ist Isabelle Huppert verfallen), fährt nicht gern mit dem Auto, dafür
"gern mit der Straßenbahn und noch lieber mit einem Zug … Ich habe mich in den letzten Jahrzehnten derart an das ICE-Fahren gewöhnt, dass ich den ICE selbst kaum noch bemerke. Die Gewöhnung hat dazu geführt, dass ich ihn als einen vertrauten Wohnraum empfinde."
Es sei denn, da sitzt jemand in seiner Nähe, der krachend in einen Apfel beißt … siehe oben, denn: "Äpfel sind etwas typisch Gesundes, farbig aufgepeppt, aber ohne Aromen, faserig, geschmacklos, eine üble Täuschung." Äpfel isst Ortheil natürlich nicht, viel lieber eine Birne, wie auch das Buchcover belegt.
Liebe zu Oasen
Und so begleiten wir den Schriftsteller, der fraglos ein Genießer ist, durch Restaurants, zu Freunden und in die Kindheit, als er zusammen mit der Mutter kleine Mahlzeiten kochte. Mit ihr verstand er sich in den ersten sieben Jahren seines Lebens wortlos, sie verlor vier Söhne und wollte fortan mit der Wirklichkeit nicht mehr viel zu tun haben. Sein Vater schob ihn geduldig und energisch zugleich ins sprechende Leben. Aus dieser Zeit stammt seine Liebe zu Oasen, es sind
"Räume oder Schutzzonen, … denen ich nicht nur vertraue, sondern die ich auch liebe … Halte ich mich innerhalb dieses Schutzraums auf, werde ich ruhig und habe das Gefühl, dass niemand und nichts mir noch etwas anhaben kann."
Heitere Innenschau
Ein Buch, das mit seinen heiteren Plaudereien und lebensphilosophischen Gedanken tief hineinführt in die Biografie des Autors. Und wenn man beim Lesen heftig zustimmend nickt oder ablehnend den Kopf schüttelt, dann ist man genau da, wo der Autor den Leser haben will: Beim vergnügten Nachdenken über die eigenen Vorlieben und Abneigungen.
(Christiane Schwalbe)
Hanns-Josef Ortheil *1951 in Köln, dt. Schriftsteller und Professor für Literatur
Hanns-Josef Ortheil "Was ich liebe - und was nicht"
Luchterhand Literaturverlag, 368 Seiten, 23,00 Euro
eBook 18,99
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