Hanns-Josef Ortheil
Rom, Villa Massimo
Roman einer Institution
Peter Ka ist Lyriker. Seine Gedichte beeindrucken die Jury der Villa Massimo so nachhaltig, dass sie ihn als Stipendiaten auswählt. Peter Ka wird also sein geliebtes Wuppertal, wo er schon seit seiner Kindheit lebt, verlassen und nach Rom reisen, um dort ein Jahr lang zu leben und zu arbeiten, mitten im Zentrum "des begehrtesten deutschen Stipendienhains".
Genüssliche Erkundungen
Peter Ka ist in jeder Hinsicht bescheiden, deshalb begreift er seine fürstliche Unterbringung als puren Luxus und die 2500 Euro monatlich, die jeder Stipendiat bekommt, als üppige Entlohnung, "die man ihm einfach so auszahlte, ohne konkrete Gegenforderungen". Genüsslich erobert er sich das Terrain, findet eine kleine Bar, in der er schnell Stammgast wird, erkundet akribisch das begehrte Gelände und die nähere Umgebung. Dank der lichterfüllten Fotos von Lotta Ortheil bekommen wir auch als Leser einen schönen Eindruck.
Bizarre Charaktere
Langsam trudeln die anderen Stipendiaten ein, einige sind mit Begleitung gekommen, andere erwarten Besuch, es sind Architekten, Schriftsteller, Bildhauer, Musiker und Maler und – irgendwann – ein Ehrengast, der seine Muse und Übersetzerin mitbringt. Sie alle sind Selbstdarsteller, entblößen nach und nach ihre Eitelkeiten, Verkrampfungen und schrägen Charaktere. Dazu passt der hauseigene Kater Rosso, ein Individualist, der sich nicht locken lässt, sondern sehr genau auswählt, auf wessen Bett er gnädigerweise die Nacht verbringen wird.
Kritischer Beobachter
Peter Ka lernt italienisch, sucht Kontakt zu den Einheimischen, findet Freunde in der Stadt, macht Fotos und Notizen – nur Gedichte, die schreibt er nicht. Die hebt er sich auf, für Wuppertal. Auch mit der durchaus zickigen Malerin in Nummer zehn pflegt er zunehmend engere Kontakte, und irgendwann wird aus dem bescheidenen Lyriker ein eleganter, kühler und genauer Beobachter seiner Umgebung, der die Geschehnisse kritisch-heiter reflektiert.
Mit feiner Ironie
Dies alles beschreibt Ortheil mit humorvoller Genauigkeit, Süffisanz und feinster Ironie. Er komponiert aus den hohen Ambitionen und wichtigtuerischen Gesten seiner zum Teil kauzigen Figuren das schillernde Szenario einer bedeutenden künstlerischen Institution, die als abgeschlossener Kosmos nach sehr eigenen Regeln funktioniert.
Ortheil selbst war 1991 Stipendiat, er kennt also das Innenleben der Villa Massimo sehr genau. Und gerade sein Insiderwissen macht diesen wunderbar erzählten "Roman einer Institution" zur höchst vergnüglichen Lektüre.
(Christiane Schwalbe)
Hanns-Josef Ortheil *1951 in Köln, dt. Schriftsteller und Professor für Literatur
Hanns-Josef Ortheil "Rom, Villa Massimo"
Roman einer Institution
Mit Fotos von Lotta Ortheil
LangenMüller 2015, 272 Seiten, 22 Euro
eBook 15,99 Euro
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